Präsidentschaftswahl in Rumänien muss wiederholt werden
- von Luiza Ilie
Bukarest (Reuters) - Wegen illegaler russischer Einflussnahme muss die Präsidentschaftswahl in Rumänien vollständig wiederholt werden.
Das entschied das oberste Gericht des EU- und Nato-Mitgliedsstaats am Freitag und begründete die Entscheidung mit Enthüllungen des rumänischen Geheimdienstes, wonach das Land Ziel eines "aggressiven russischen hybriden Angriffs" geworden sei. Über die vor allem bei Jugendlichen beliebte App TikTok sei der rechtsextreme und pro-russische Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu mit Hilfe koordinierter Konten, Empfehlungsalgorithmen und bezahlter Werbung massiv gefördert worden. Ob Georgescu, der die erste Runde gewonnen hatte, erneut antreten darf, ist fraglich.
Vom Geheimdienst wurden mehr als 85.000 Cyberangriffe identifiziert. Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie habe Ermittlungen wegen Computerkriminalität im Zusammenhang mit der Kampagne Georgescus eingeleitet. Georgescu hatte die erste Runde der Präsidentschaftswahl in dem Balkanland am 24. November überraschend gewonnen, nachdem er in Umfragen zuvor lediglich einstellige Werte erzielt hatte. Zudem gab er an, im Wahlkampf keine Mittel ausgegeben zu haben.
An diesem Sonntag sollte sich Georgescu eigentlich in einer Stichwahl der pro-europäischen Mitte-Rechts-Kontrahentin, Elena Lasconi von der zentristischen Partei, stellen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Marcel Ciolacu, der favorisiert war, wurde in der ersten Runde überraschend nur Dritter. Bei der rumänischen Parlamentswahl am vergangenen Sonntag hatten rechtsextreme Parteien, die häufig Sympathien für Russland hegen, ebenfalls gut abgeschnitten. Gewonnen hatten die Wahl aber die regierende Sozialdemokratische Partei (PSD), die nun erneut eine pro-europäische Regierung bilden will.
Georgescu setzt sich für ein Ende der rumänischen Unterstützung für die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg ein, wie er zuletzt auch in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Russland hat jegliche Einmischung in die rumänischen Wahlkämpfe bestritten. TikTok verneinte eine Sonderbehandlung Georgescus und erklärte, sein Konto sei als politisches Konto gekennzeichnet und wie jedes andere behandelt worden. Sergiu Miscoiu, Professor für Politikwissenschaft an der Babes-Bolyai-Universität, erklärte dennoch: "Es ist äußerst wahrscheinlich, dass das Gericht Calin Georgescu nicht erlauben wird, erneut anzutreten."
"FAIRNESS UND RECHTMÄSSIGKEIT"
Das Gericht selbst erklärte: "Der Wahlprozess zur Bestimmung des Präsidenten Rumäniens wird vollständig neu durchgeführt. Die Regierung wird ein neues Datum und einen neuen Zeitplan für die notwendigen Schritte festlegen." Die Entscheidung sei getroffen worden, "um die Fairness und Rechtmäßigkeit des Wahlprozesses zu gewährleisten". Eine detaillierte Begründung des Urteils wird zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Am Montag hatte das Gericht die erste Präsidentschaftsrunde noch für gültig erklärt, bevor der Geheimdienst seine Informationen am Mittwoch veröffentlichte. Die Integrität der Parlamentswahl stellte das Gericht nicht infrage.
Ein Sieg Georgescus hätte die pro-westliche Politik des EU- und Nato-Mitgliedstaats revidiert. Rumänien wäre näher an eine Gruppe von Staaten in Mittel- und Osteuropa mit einflussreichen populistischen, Russland-freundlichen Politikern gerückt, wie Ungarn, die Slowakei und Österreich. Allerdings könnte das Urteil das Land in eine institutionelle Krise stürzen, da die Amtszeit des derzeitigen Präsidenten Klaus Iohannis am 21. Dezember endet und unklar ist, wer danach das Amt des Staatspräsidenten übernehmen wird. Ministerpräsident Ciolacu begrüßte das Urteil dennoch als "die einzig richtige Lösung".
Die verbliebene Kandidatin Lasconi sagte dagegen: "Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist illegal, unmoralisch und zerstört das Wesen der Demokratie, das Wählen." George Simion, Chef der oppositionellen rechtsextremen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), bezeichnete die Entscheidung der Richter als "Staatsstreich" und sagte: "Neun politisch ernannte Richter, die Angst hatten, dass ein Kandidat außerhalb des Systems alle Chancen hatte, Rumäniens Präsident zu werden, entschieden, den Willen der Rumänen zu annullieren". Der Politikwissenschaftler Miscoiu warnte: "Es wird Straßenproteste geben, die Menschen werden radikalisiert und je nachdem, welcher Kandidat der radikalen Rechten im Rennen bleibt, werden sich die Menschen um ihn scharen."
(Bearbeitet von Alexander Ratz; redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)