Drei Fragen an Bernecker: Sind wir noch mitten in einer größeren Korrektur, ist die Tech-Blase jetzt geplatzt und stehen die Impfstoff-Titel vielleicht vor einem Comeback?

onvista · Uhr

In unserer heutigen Ausgabe fragen wir nach dem weiteren Korrekturpotenzial an den Märkten, wie die Massenflucht der Anleger aus Facebook einzuschätzen ist und ob bei Impfstoff-Aktien noch trockenes Pulver liegt.

onvista-Redaktion: Facebook hat am Mittwoch Zahlen präsentiert und diese waren leicht unter den Erwartungen – offensichtlich Grund genug für die Anleger eine Massenflucht anzutreten und die Aktie nachbörslich über 20 Prozent in die Tiefe zu drücken. Was bedeutet das mit Blick auf den Gesamtmarkt? Sind wir in einem Bärenmarkt und steht die derzeitige Erholung auf tönernen Füßen?

Die Techblase platzt oder ist geplatzt. Allen gemeinsam ist: Die Ergebnisse des Vorjahres sind hervorragend, aber die Prognosen für die Zukunft fallen deutlich vorsichtiger aus. Für jeden gilt ähnliches: Halbierte Prognosen bedeuten halbierte Kurse. Das stimmt nicht auf den Prozentsatz genau, aber im Prinzip. PayPal, Netflix, Nvidia und Spotify sind die Fälle der letzten Tage. Diese Normalisierung war die logische Folge der Übertreibungen in den vergangenen zwei Jahren. Dieser Sachverhalt färbt auf die Gesamtverfassung der Märkte nur teilweise ab. Value-Titel profitieren davon, jeder auf seine Weise. So entsteht ein Gleichgewicht in den nächsten ca. 12 Monaten, was auch davon abhängt, wie die Fed nun konkret ihre weitere Politik nicht nur permanent ankündigt, sondern auch durchführt. Mit dieser Entwicklung bin ich sehr zufrieden.

onvista-Redaktion: Die Impfstoffhersteller haben in den letzten Monaten allesamt stark korrigiert und die Hoffnung auf einen Wechsel von einer Pandemie zur Endemie hat die Aufmerksamkeit der Anleger weg von deren Aktien gelenkt – doch viele Wissenschaftler sehen eine Endemie als unwahrscheinliches Szenario – sehen wir also derzeit günstige Kaufpreise bei den Impfstofftiteln, weil es ohne sie keine Lösung geben wird?

Die Impfstoffeuphorie des vergangenen Jahres beginnt sich vorsichtig neu einzuordnen. Alle relevanten Titel verloren ebenfalls rd. 50 %. Ab jetzt entsteht eine neue Sicht dafür, wie in Zukunft der nachhaltige Bedarf an Impfstoff ausfallen wird und welcher Impfstoff jeweils der richtige ist. Auch dies wird sich allein aus pharmazeutischen Gründen erst in den nächsten Monaten herausstellen. Auf dieser Ebene entsteht dann die Einschätzung des Wertes der Produkte und die jeweilige Gewinnmarge der Unternehmen. Die Zwischenergebnisse lassen noch keinen genauen Überblick erkennen. Das wird wohl erst um die Jahresmitte möglich sein. Da die Börse stets vorgreift, erwarte ich eine Art Bodenbildung der korrigierten Kurse in den nächsten ein bis zwei Monaten. Also Geduld.

onvista-Redaktion: Viele Marktexperten, darunter Analysten von Goldman Sachs, halten die derzeitige Korrektur an den Märkten noch nicht für beendet und nennen einen Rückgang von 15 Prozent von den Allzeithochs als historisch gut vergleichbaren Richtwert – da die Wirtschaft sich nicht in einer Rezession befindet, sollten die Märkte es danach auch bei dieser Korrektur belassen und Kaufpreise signalisieren – in Ihren Augen eine sinnvolle Einschätzung für die nächsten Wochen?

Die Konsolidierung der Märkte war angesagt. Jetzt geht es darum, aus den Übertreibungen in die Normalität zurückzufinden. Der Absturz der Techs ist der erste Teil, siehe oben. Erhebliche Umverteilungseffekte der Investoren stehen bevor. Das benötigt mehrere Monate und funktioniert so ähnlich wie in anderen Korrekturphasen, so von 2000 bis 2002 bzw. 2008/2009, und nun über einen Zeitraum von ebenfalls wohl 1 bis 1 1/2 Jahre. Der wichtigste Aufhänger dafür bleiben die Notenbanken. Sie entscheiden allein darüber, wie die Geldmenge gesteuert wird und sich der Zins entsprechend anpassen muss. Das benötigt sehr viel Feingefühl. Ein Vergleich: Von 2004 bis 2008 hob die Fed die kurzen Zinsen in 17 kleinen Schritten (0,25 %-Punkte) an. Die Geldversorgung für den damaligen Boommarkt (Immobilien) besorgten Fannie Mae und Freddie Mac unter dem Zaubernamen „Subprimekredite“. Das Ende dieser Geldschwemme war der Fall Lehman. Diesmal stehen gewagte Fondskonstruktionen im Mittelpunkt des Interesses. Wer umfällt, weiß ich nicht, aber ein Opfer wird es geben.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

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