Ampel oder Jamaika?

onvista · Uhr

Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl kann der Aktienmarkt gut leben. Ausschlaggebend ist, dass das Worst-Case-Szenario Rot-Grün-Rot abgewendet werden konnte. Damit ist die Option einer extrem linkslastigen Regierungskoalition vom Tisch. Die wahrscheinlichste der verbleibenden Alternativen, nämlich die „Ampel“, würde unter dem marktwirtschaftlich orientierten Korrektiv der FDP arbeiten und einem Durchmarsch allzu linkslastiger Interessen entgegenstehen.

Noch wünschenswerter für die Märkte wäre aber „Jamaika“. Die Schnittmengen zwischen CDU und FDP sind naturgemäß größer, als dies zwischen SPD und FDP der Fall ist. Im Lichte eines fairen Demokratieverständnisses stellt sich allerdings die Frage, ob „Jamaika“ dem viel zitierten „Wählerwillen“ entspräche. Denn die Union aus CDU/CSU sind als klarer Wahlverlierer anzusehen. Da würde es wohl vielen Wählern, die nicht CDU/CSU gewählt haben, sauer aufstoßen, wenn sie dann doch einen Bundeskanzler Armin Laschet vor die Nase gesetzt bekämen. Andererseits:

Der Vorsprung der SPD vor der Union ist nicht so groß, dass man daraus einen unwiderlegbaren und alleinigen Wählerauftrag zur Bildung einer Regierungskoalition ableiten könnte. Gleichwohl gebührt den Parteien SPD, Grünen und der FDP wohl das Recht, zuerst die Möglichkeiten einer Koalition auszuloten. Erst wenn sich hier unüberwindbare Differenzen auftun, muss als „Plan B“ die Möglichkeit bestehen, eine „Jamaika“-Koalition zu schmieden, auch wenn diese Option wohl nicht dem Wunschergebnis der Wähler entspräche. Vorrang muss in diesem Fall aber haben, eine handlungsfähige und stabile Regierung zu bilden, anstatt eine von Anfang an brüchige Koalition durchzudrücken, die wahrscheinlich direkt bei der ersten echten Belastungsprobe auseinanderbrechen würde.

Aber neben der Bundestagswahl gibt es derzeit zwei weitere Themenkomplexe, mit denen sich die Märkte auseinanderzusetzen haben. Zum einen setzen die Zins- und Inflationssorgen zunehmend der Stimmung zu. Das hat zum Beginn dieser Woche nicht nur die Aktien-, sondern auch die Anleihemärkte belastet. Auslöser waren Äußerungen des Fed-Präsidenten Powell bei einer Anhörung in einem Ausschuss des Senats, die auf eine näherrückende geldpolitische Straffung hindeuten. Damit haben die Märkte nun unmissverständlich damit begonnen, den Beginn des Taperings noch in diesem Jahr und eine erste Zinserhöhung im kommenden Jahr einzupreisen. Die Zeiten weit aufgedrehter Geldhähne neigen sich also dem Ende zu.

Zum anderen lasten die hohen Ölpreise auf der Stimmung. Erstmals seit drei Jahren hat der Preis für ein Barrell der Sorte Brent wieder über der Marke von 80 $ notiert. Das treibt die Produzentenpreise und mittelbar auch die Konsumentenpreise nach oben. Insgesamt eine unerfreuliche Gemengelage für die Aktienmärkte.

Der Aktienmarkt hat am Montag hörbar aufgeatmet, als klar war, dass es nicht zum Schreckgespenst Rot-Grün-Rot kommen wird. Allerdings hat die Begeisterung dann auch schnell wieder nachgelassen. Bereits nachmittags hatte der Alltag die Märkte wieder eingeholt. Im weiteren Wochenverlauf tendierten die Kurse dann sogar richtig schwach. Am heutigen Freitag hat der DAX zumindest vorübergehend die Marke von 15.000 Punkten unterschritten. Die Aussicht auf eine weniger expansive Geldpolitik und eine mögliche erste Zinserhöhung 2022, gepaart mit steigender Inflation und höheren Kapitalmarktzinsen, dürften die Bäume am Aktienmarkt vorerst nicht in den Himmel wachsen lassen.

Oliver Kantimm / Der Aktionärsbrief

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