Kutzers Zwischenruf: Kann man dem „vorsichtigen Optimismus“ trauen?

Hermann Kutzer · Uhr

Es gibt positiv klingende Nachrichten. Welchen Wert sie haben, muss noch offenbleiben. Immerhin kann sich der Dax erholen, rutschen die Ölpreise ab – und das nicht zu knapp. Zwei Signale machen den Börsianern wieder Mut: Die Corona/Omikron-Beschränkungen sollen bei uns in Kürze stufenweise gelockert bzw. aufgehoben werden. Die Welle scheint den Höhepunkt hinter sich zu haben. Das erleichtert Bund und Ländern (hoffentlich) die Einigung in den laufenden Gesprächen. Signalcharakter haben spontan auch die Informationen über einen (angeblichen) Teilrückzug russischer Truppen aus Grenzgebieten zur Ukraine. Wir dürfen, so wir wollen, mit dem Aktienmarkt aufatmen. In derartigen Situationen sprechen professionelle Strategen gerne von „vorsichtigem Optimismus“.

Genau das schreibt auch das Mannheimer ZEW als Ergebnis seiner monatlichen Umfrage unter Finanzmarktexperten zu den Konjunkturerwartungen in Deutschland. Die sind im Februar um 2,6 auf 54,3 Punkte gestiegen. Dabei hat sich die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland ebenfalls verbessert. Resümee der Forscher: Trotz wachsender wirtschaftlicher und politischer Unsicherheiten verbessert sich der Konjunkturausblick für Deutschland erneut. Die Finanzmarktexperten rechnen mit einer Entspannung bei den Corona-bedingten Einschränkungen und einer Konjunkturerholung im ersten Halbjahr 2022. Sie gehen weiterhin von einer zurückgehenden Inflation aus, allerdings langsamer und von einem höheren Niveau aus, verglichen mit den Erwartungen der Vormonate. Als Folge rechnen inzwischen mehr als 50 Prozent der Experten mit einer Erhöhung der kurzfristigen Zinsen im Eurogebiet in den nächsten sechs Monaten. An der Umfrage im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests haben sich 173 Analysten und institutionelle Anleger beteiligt (also keine unbedeutende Minderheit).

Können wir demnach die Krisensorgen und Kriegsängste anlagetaktisch schon wieder verdrängen? Nein, sagt mein Bauchgefühl. Denn im Zeitalter der Nachhaltigkeit können die Mut machenden neuen Signale von Politik und Wirtschaft noch nicht als nachhaltig gesehen werden. Aber immerhin. Jedenfalls ist die Floskel „vorsichtiger Optimismus“ für alle Akteure erfreulicher als Warnungen in Verbindung mit einem „ausgeprägten Pessimismus“. Dennoch: Sie sollten zunächst einmal die Einschränkung „vorsichtig“ ernst nehmen, geschätzte Anleger, und weiterhin äußerst wachsam bleiben!

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