onvista Börsenfuchs: Geduld macht die Krisenstimmung erträglich

Hermann Kutzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)
Quelle: onvista

Hallo Leute! Den professionellen Anlagestrategen fällt es immer schwerer, mit einfachen (und klaren) Worten ein helles Bild von Wirtschaft und Börse zu malen. Manche haben ihre berufsbedingte Zuversicht erst einmal beerdigt, andere versuchen (manchmal verkrampft) eine Entspannung der Lage zu beschreiben. Inflationsoptimisten gibt’s zwar noch, sie sind aber klar in der Minderheit.

Nee, meine Freunde, typisch ist eher die Zusammenfassung eines großen deutschen Fondsmanagers: Zeitenwende überall. Geopolitisch strukturiert sich die Welt neu. Die „Deglobalisierung“ nimmt Gestalt an. Demografisch wächst die Welt zwar weiter, wird dabei aber älter und die Zuwachsraten nehmen ab. Die Babyboomer verabschieden sich in die Rente. Die Inflation – ein lange für tot geglaubtes Gespenst – meldet sich mit lautem Gepolter zurück und zwingt die Zentralbanken der Welt zum Handeln. In der Summe zeigt sich: Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Über diese Thesen kann man lebhaft diskutieren.

Zu bleiben??? Das darf doch nicht wahr werden! Bei niedrigen Nominal- und tiefroten Realrenditen ist es für die Kapitalanlage keine leichte Aufgabe, zumindest die Kaufkraft des Vermögens zu verteidigen. Ohne risikoreichere Anlageformen wie Aktien wird es nicht gehen. Diese haben sich in der Vergangenheit gegenüber der Inflation gut geschlagen.

Zu mehr Rendite gehört aber immer auch mehr Risiko. Und die Risiken haben nicht abgenommen: Die Konjunktur bewegt sich auf abschüssigen Pfaden, die Zentralbanken kämpfen gegen die Inflation und dürften, von Ausnahmen wie China abgesehen, die Zinsen weiter anheben. Und natürlich immer wieder die Geopolitik.

„Wir stellen fest, dass sich die Zeithorizonte der europäischen Aktienanleger verkürzen. Makroökonomischer Gegenwind, Inflation und die Frage der Energieversorgungssicherheit tragen dazu bei, dass die kurz- und mittelfristige Unsicherheit größer ist als üblich“, beobachten internationale Vermögensverwalter

Selbst wenn Unternehmen gute Ergebnisse vorlegen und halbwegs positive Prognosen abgeben, sind Anleger nicht bereit, diese Prognosen mit einem hohen Multiplikator zu bewerten. Andererseits werden Unternehmen, die vorsichtige Prognosen und zurückhaltende Einschätzungen abgeben, von den Anlegern stärker honoriert als in anderen Marktsituationen.

Ich teile die Empfehlung, dass es jetzt eine größere Chance als sonst gibt, weiter nach vorn zu blicken und seine Portfoliostrategie gegebenenfalls zu verlängern. Wie? Umschichten auf Aktien mit dauerhafteren Trends und qualitativ hochwertigeren Geschäftsmodellen. Geduld ist angesagt. Eigentlich immer, jetzt aber ganz besonders. Wer die nicht aufbringen kann, sollte lieber mal pausieren.

P. S.: Soeben meldet das DZ Bank Research eine „Prognoseanpassung“ für den Dax, weil man seinen Optimismus „ein wenig dämpft“. Begründung: Die starken Kursreaktionen der vergangenen Tage haben bewiesen, dass sich der Aktienmarkt unverändert in einem Krisenmodus befindet. Das negative Sentiment könnte sich im zweiten Halbjahr verfestigen und weiter Druck auf Aktienkurse ausüben. Zykliker wären stärker betroffen. Deshalb reduzieren die Analysten ihr Jahresendziel für den Dax von 14.500 auf 14.000 Punkte. Wetten, dass auch noch andere Profis in den nächsten Wochen ihre ursprünglichen Vorhersagen nach unten korrigieren werden?

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