Kutzers Zwischenruf: Überschätzen sich die Börsen-Bullen?

onvista · Uhr
Quelle: Sittipong Phokawattana / Shutterstock.com

Es gibt unterschiedliche Ansätze beim Versuch, eine Börsentendenz nachvollziehbar zu erklären. Momentan fällt das besonders schwer, weil Krisen, Konjunktur und Kurse auseinanderdriften. Die jüngsten Stimmungsindikatoren aus der deutschen Wirtschaft sind ausgesprochen schlecht. Die Aussichten sind sogar noch trüber – man diskutiert bereits über die Schwere der bevorstehenden (oder bereits begonnenen) Rezession!

Der Aktienmarkt spiegelt das nicht wider, denn die Bullen beherrschen das Feld. Ihr wichtigstes Futter liefern die Zentralbanken, weil deren Zinswende auch als Signal für das nahende Ende der historisch hohen Inflation gesehen wird. Ach ja, dann raunt man sich (noch leise) zu, im Kriegsszenario deute sich ebenfalls eine Wende an, weil die Ukraine erfolgreich zurückschlägt und auf zunehmende Lieferungen schwerer Waffen des Westens hoffen kann.

Den Ausschlag geben in diesen Tagen aber Fed und EZB mit ihren monetären Maßnahmen und Ankündigungen. Die Börsen-Bullen blicken schon hinter den mutmaßlichen Inflationsgipfel, obwohl der auf beiden Seiten des Atlantiks unterschiedlich geschätzt wird. Außerdem stehen Zweifel im Raum, die Höchststände der Teuerung seien noch gar nicht erreicht.

Mag sein, dass auch die Fiskalpolitik als Stütze für den Aktienhandel betrachtet wird. Denn bei aller Kritik an der Berliner Ampel verspricht der Bundeskanzler hartnäckig, dass die Regierung intensiv an weiteren Hilfen arbeitet, um vor allem die Energiekostenexplosion für Wirtschaft und Bevölkerung erträglich zu machen. Ob das gelingen wird?

Was mich (zugegeben) leicht überrascht, ist die gelassene Reaktion der Märkte auf Ifo und ZEW innerhalb von zwei Tagen. Die gestrige Herbst-Prognose des Münchner Instituts ist furchterregend genug. Sie bietet überhaupt keinen Ansatz für Optimismus.

Heute kommen die Mannheimer Wissenschaftler mit ihren monatlichen Indikatoren dazu: Die ZEW-Konjunkturerwartungen gehen im September erneut zurück. Zusammen mit der ebenfalls schlechteren Beurteilung der aktuellen Lage hat sich der Ausblick auf die nächsten sechs Monate „weiter stark eingetrübt“. Weiter heißt es dann (der O-Ton klingt besonders deutlich): Die Aussicht auf Energieengpässe im Winter lassen die Erwartungen für große Teile der deutschen Industrie noch negativer werden. Hinzu kommt eine ungünstigere Einschätzung des Wachstums in China. Bereits die aktuellen statistischen Zahlen zeigen einen Rückgang von Auftragseingängen, Produktion und Exporten.

Erschrocken waren die Bullen dann doch und rissen den Dax runter. Anlass war nachmittags die Meldung aus USA: Inflation höher als erwartet. Die Inflationswelle in den USA ebbt nur leicht ab. Die Teuerungsrate für Waren und Dienstleistungen fiel im August auf 8,3 Prozent von 8,5 Prozent im Juli, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Experten hatten mit 8,1 Prozent gerechnet.

Bleiben Sie lieber vorsichtig, geschätzte Anleger!

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