Krisenkonzern Siemens Energy ruft nach Staatshilfe

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- von Tom Käckenhoff

Düsseldorf/Berlin (Reuters) - Wegen der Probleme im Windkraft-Geschäft ruft der Krisenkonzern Siemens Energy nach dem Staat.

Das mit Milliardenverlusten kämpfende Unternehmen bestätigte am Donnerstag Gespräche mit dem Bund über staatliche Garantien: Man spreche mit unterschiedlichen Parteien, darunter Partnerbanken sowie der Bundesregierung. Es gebe einen wachsenden Bedarf an Garantien, vor allem durch die steigenden Aufträge für Gasturbinen und Stromnetze. Nach Medienberichten geht es um bis zu 15 Milliarden Euro. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, betonte Siemens Energy. "Die Bundesregierung ist in engen und vertrauensvollen Gesprächen mit dem Unternehmen", sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums, ohne aber Details zu nennen.

An der Börse löste die Nachricht einen Kurssturz der Siemens-Energy-Aktien um bis zu 40 Prozent aus. Das Unternehmen hat damit binnen eines Tages 3,3 Milliarden Euro Börsenwert verbrannt und ist am Aktienmarkt noch etwa 5,3 Milliarden Euro wert. Die Aktien der Siemens AG, die noch 25,1 Prozent an ihrer ehemaligen Energietechnik-Tochter hält, verloren gut fünf Prozent.

Die Magazine "WirtschaftsWoche" (WiWo) und "Spiegel" hatten zuerst über Gespräche von Siemens Energy mit der Bundesregierung berichtet. Der Konzern werbe um Bürgschaften über bis zu 15 Milliarden Euro, hieß es in der "WiWo". Wegen der Krise der Windturbinen-Tochter Siemens Gamesa befürchte er Schwierigkeiten in den Gesprächen mit Banken über Garantien für Großprojekte. In der Industrie ist es üblich, dass Unternehmen bei solchen, über Jahre andauernden Projekten ihre Leistungen mit Kreditlinien von Banken absichern müssen.

MAGAZIN - SIEMENS WILL SICH NICHT BETEILIGEN

Laut "WiWo" soll für eine erste Bürgschafts-Tranche von zehn Milliarden Euro der Bund zu 80 Prozent einstehen, die restlichen 20 Prozent sollen die Banken übernehmen. Eine zweite Tranche von fünf Milliarden Euro solle die Siemens AG garantieren. Siemens hat die Garantien und Finanzierungen für Energietechnik-Projekte bereits heruntergefahren, bürgt aber noch mit sieben Milliarden Euro für Verträge von Siemens Energy. Der Technologiekonzern erklärte, er prüfe noch, was die Pläne der ehemaligen Tochter für ihn bedeuten. "Siemens ist in engen, andauernden Gesprächen mit allen beteiligten Parteien", sagte ein Sprecher. Es seien viele Fragen offen. Man werde aber im Interesse von Siemens und seiner Aktionäre handeln.

Der Siemens-Vorstand um Roland Busch hat sich schon mehrfach kritisch über die Vorgänge bei Siemens Energy geäußert. Siemens wolle sich aber offenbar an Garantien nicht beteiligen, hieß es im "Spiegel". In der Bundesregierung sei man über diese Haltung verstimmt. In Unternehmenskreisen hieß es, Siemens schließe neue Unterstützung nicht kategorisch aus. In Regierungskreisen hieß es, der Bund wolle dem für die Energiewende wichtigen Konzern helfen. Ein Thema in den Gesprächen sei aber, wie sich die Anteilseigner beteiligen würden.

Kritik an Staatshilfen kam aus der Regierungspartei FDP. "Der deutsche Staat kann nicht im Wochenrhythmus Garantien für Unternehmen geben, das ist Aufgabe der Eigentümer", sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, der Zeitung "Die Welt". "Eine Energiewende, bei der am Ende Verbraucher, Netzbetreiber, Produzenten und alle anderen Akteure am staatlichen Tropf hängen, ist keine Transformation, sondern eine Deformation der Wirtschaft."

LANGANHALTENDE PROBLEME IN DER WINDENERGIE

Siemens Gamesa fährt seit Jahren hohe Verluste ein, die dem Gesamtkonzern immer wieder die Bilanz verhageln. Mehrfach wurden Top-Manager ausgewechselt - ohne Erfolg. Gamesa ist der weltweit größte Hersteller von Offshore-Windturbinen. Zuletzt hatte es Probleme mit Schäden an Windrad-Rotorblättern und Lagern gegeben. Siemens-Energy-Chef Christian Bruch hatte angekündigt, dass sich der Konzern bei der Sanierung von Gamesa alle Optionen offenhalte. Details könnten auf der Bilanzpressekonferenz und einem Kapitalmarkttag im November vorgelegt werden.

Siemens Energy hat wegen der Probleme bei Siemens Gamesa für das Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende September) einen Verlust von rund 4,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Ein Insider sagte Reuters, die Belastungen im Windkraft-Geschäft könnten höher ausfallen als die veranschlagten 1,6 Milliarden Euro. Zu vage seien die Schätzungen, auf denen die Prognose fuße. Siemens Energy betonte, die Zahlen des gerade abgelaufenen Geschäftsjahrs lägen im Rahmen der Prognose. Im kommenden Jahr lägen Aufträge und Umsätze im Windgeschäft 2024 voraussichtlich aber unter den Markterwartungen, der Verlust darüber. Analysten der Bank JP Morgan erklärten, die Gefahr habe zugenommen, dass Siemens Energy seine Kreditwürdigkeit auf Investment-Grade-Niveau verliere. Zudem steige die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kapitalerhöhung nötig sein könnte, um die Bilanz zu stärken - was nötig sei, um die Chancen der Energiewende zu nutzen.

(Bericht von Christian Krämer, Andreas Rinke, Alexander Hübner, Matthias Inverardi und Tom Käckenhoff; redigiert von Sabine Wollrab und Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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