Hoffnung auf schnelle Deals erscheint überzogen
Die jüngsten Gewinne der Aktienmärkte fußen auf der Hoffnung, dass der von den USA begonnene Handelsstreit sich entspannt. In der Historie dauerte es aber meist lange für einen Deal, wie eine Analyse des Private-Equity-Unternehmens Apollo Global Management zeigt.

Zurzeit müssen sich Anleger wundern, wie sich der Markt verhält. Unsicherheit ist üblicherweise Gift für Aktien. Doch die Kurse steigen; insbesondere in den USA. Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq 100 haben sich in der vergangenen Woche kräftig erholt. Auch der Dax profitierte von der freundlicheren Stimmung jenseits des Atlantiks.
Dabei ist, was das zentrale Thema der Zölle angeht, eigentlich nichts passiert. US-Präsident Donald Trump erklärte, die USA führten Gespräche mit China. Chinas Präsident Xi habe ihn sogar angerufen. China dementiert, dass es irgendeine Form von Verhandlungen gegeben habe. Zum Wochenauftakt stellte Peking klar, dass es kein Telefonat auf höchster Ebene gegeben hat.
Zwar gab es tatsächlich milde Anzeichen einer Annäherung. China setzte beispielsweise einige Zölle auf US-Importe aus, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Echte Entspannung im Handel zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften sieht aber anders aus. US-Finanzminister Scott Bessent betonte am Montag, dass es in Chinas Verantwortung liege, eine Deeskalation herbeizuführen.
Für ein normales Handelsabkommen brauchen die Verhandlungen Monate
Erste Verhandlungen mit Japan, einem der langjährigsten Partner der USA in Asien, haben kein Ergebnis gebracht. Laut der japanischen Delegation ändere die US-Regierung laufend ihre Meinung dazu, welche Ergebnisse ein Deal eigentlich bringen soll.
Das weckt ernsthafte Zweifel daran, ob Trump innerhalb der Zollpause von 90 Tagen wirklich viele, substantielle Handelsdeals erreichen kann. Momentan scheint am Markt dennoch die Hoffnung zu überwiegen, dass Trump das Ruder in der Zollpolitik herumreißt.
Ist das überzogen? Im historischen Vergleich definitiv, wie eine Auswertung des Investmenthauses Apollo Global Management (AGM) zeigt. Demnach brauchen Verhandlungen über Handelsabkommen im Schnitt 18 Monate bis zur Unterschrift.
Bis die neuen Rahmenbedingungen auch gelten, dauert es indes durchschnittlich 45 Monate. Gemessen daran könnten neue Deals also sogar erst gegen Ende von Trumps zweiter Amtszeit in Kraft treten.
Länder müssen sich auf mehr als nur Zölle einigen
„Warum braucht das so lange? Weil zu Verhandlungen gehört, jeden einzelnen Import zu betrachten und nachfolgend einen Zoll für jedes Produkt auszuhandeln, T-Shirts, Stifte, Autos, Pharmaprodukte, Rasenmäher, Dienstleistungen, etc.“, erklärt Apollos Chefvolkswirt Thorsten Slok.
Verhandlungen beinhalten zusätzlich Diskussionen über Handelsbarrieren, Unterschiede in der Besteuerung, intellektuelles Eigentum, Arbeits- und Umweltstandards und vieles weitere, so Slok.
Verhandlungen brauchen schlicht Zeit, weil sie komplex seien. Die USA hatten wiederholt betont, auch gegen „nichtfinanzielle“ Handelsbarrieren vorgehen zu wollen, wie etwa Subventionen. Tatsächlich waren ebendiese die Basis für die teilweise absurd hohen Strafzölle der USA auf bestimmte Einfuhren. Es gibt also, zumindest in der Theorie, weitaus mehr zu diskutieren als nur Zölle.
Zugleich wollen die USA ebensolche Verhandlungen zeitgleich mit dutzenden Ländern führen – und momentan scheinen die Märkte die Chancen darauf, dass dieses monströse Unterfangen gelingt, relativ hoch einzupreisen - selbst, wenn man bedenkt, dass die Börsen viele Entwicklungen in den Kursen bereits vorwegnehmen.
Apollo-Chefvolkswirt sieht hohe Rezessionsgefahr
Real zeigen sich indes negative Effekte. Denn wenngleich die meisten Zölle erstmal pausiert sind, gilt für die Einfuhren aus den meisten Ländern der universelle Basis-Zoll von zehn Prozent. Importe aus Kanada und Mexiko müssen weiterhin mit 25 Prozent verzollt werden, für China gilt weiterhin der enorme Zollsatz von 145 Prozent.
„Der weltweite Handel wird bis zum Stillstand ausgebremst, mit Problemen, die wir bereits während der Coronavirus-Pandemie gesehen haben“, erläutert Slok. Das seien: Wachsende Herausforderungen bei den Lieferketten, mögliche Mängel in US-Einzelhandelsfilialen innerhalb weniger Wochen, eine höhere Inflation, und weniger Tourismus in den USA.
„Wir bestätigen deshalb unsere Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession in diesem Jahr bei 90 Prozent liegt, sofern sich diese Politik nicht ändert“, so Slok.
Frachtraten sinken, Häfen erwarten weniger Einfuhren
Einen Dämpfer wird der US-Handel wohl in jedem Fall erleiden. So signalisieren die weiterhin sinkenden Frachtraten eine schrumpfende Nachfrage. Seit Jahresbeginn ist beispielsweise das Verschicken eines Standard-40-Fuß-Containers von Shanghai nach New York laut der Schifffahrtsberatung Drewry um 46 Prozent billiger geworden. Für die Route von Shanghai nach Los Angeles ist der Frachtpreis ähnlich stark eingebrochen.
Unterdessen, berichtet die „Financial Times“, spüren Häfen und Reedereien den Zollstreit bereits merklich. Im Hafen von Los Angeles werden für die Woche ab dem 4. Mai ein Drittel weniger Wareneingänge als noch vor einem Jahr erwartet. Buchungen für die Verschiffung von 20-Fuß-Containern von China in die USA seien den aktuellsten Branchenstatistiken zufolge sogar um 45 Prozent zum Vorjahr zurückgegangen.
Mehr und mehr Händler würden nun abwarten und Inventar abbauen, ehe sich abzeichne, wie schnell Washington und Peking einen Deal schließen können, kommentierte Generalsekretär John Denton vom internationalen Handelsverband ICC.
Der historische Vergleich zeigt, dass es sich bis zu einer echten Lösung noch Monate hinziehen könnte. Im Angesicht dessen zeigen sich die Börsen erstaunlich solide.