Überspannt die Fed den Bogen?

Stefan Riße · Uhr
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Fraglos stellt sich die Inflation schon jetzt als immer hartnäckiger heraus als gedacht. War sie zunächst aus Sicht der Zentralbanken nur vorübergehend, erkennen Sie mittlerweile an, dass sie ein größeres, länger anhaltendes Problem darstellt. Verwiesen wurde lange auf die deutlich gestiegenen Energiepreise als Ursache für die Inflation. Würden diese nicht weiter steigen und somit auf Zwölfmonatssicht Basiseffekte eintreten, würde die Inflation sich dann schon von ganz allein wieder abschwächen.

Kerninflation ist das größere Problem

Weil Energiepreise und auch die für Lebensmittel saisonal schwanken, je nach konjunktureller oder auch nach Wetterlage, errechnet man neben der eigentlichen Inflationsrate, die die Verbraucherpreise misst, auch die sogenannte Kernrate. Hier werden Energie und Lebensmittel nicht berücksichtigt. Bleibt die Kernrate niedrig, sind die Notenbanken in der Regel noch entspannt, denn solche saisonalen Verwerfungen ebnen sich irgendwann auch wieder ein. Nur mittlerweile steigt auch die Kernrate der US-Inflation auf über sechs Prozent.

Vieles hängt dabei stark von den Preisen für Dienstleistungen ab, und diese wiederum stark von den Löhnen, die in diesem Sektor gezahlt werden. Da wir trotz einer Wirtschaftskrise einen leergefegten Arbeitsmarkt haben, ist hier eine schwer lösbare Aufgabe entstanden. Die US-Notenbank Fed sieht es daher offenbar als notwendig an, mit dem schnellsten Zinserhöhungszyklus seit 40 Jahren gegenzuhalten. Und der Markt überbietet sich nur so mit Schätzungen, wie hoch die Leitzinsen bereits am Jahresende stehen werden. Derzeit liegt der Konsens bei 4,5 Prozent.

Zinsänderungen brauchen ihre Zeit, bevor sie wirken

Was die Zentralbank in den USA in offenbar nicht beachtet, ist der Umstand, dass Zinserhöhungen erst mit zeitlicher Verzögerung ihre Wirkung entfalten. Ist beispielsweise ein Unternehmen hoch verschuldet, bekommt es nicht sofort mit jeder Zinserhöhung größere Probleme, seine Schuldenlast zu stemmen. Denn in der Regel haben die Kredite oder begebenen Anleihen ja eine längere Laufzeit. Erst wenn Unternehmen neu finanzieren müssen, wirken sich die Zinserhöhungen aus.

Die Fed wäre daher gut beraten, zunächst einmal eine Pause einzulegen und abzuwarten, ob die bereits vollzogenen Zinsanhebungen ihre Wirkung zeigen. Andernfalls, und so sieht es derzeit aus, läuft sie Gefahr, den Bogen zu überspannen. Auch die Finanzkrise wurde durch zu starke Zinserhöhungen von eins auf 5,25 Prozent ausgelöst. Als dann nach und nach die Hausbesitzer, die mit großem Fremdkapitaleinsatz ihr Immobilien erworben hatten, neu abschließen mussten, platzte die Blase. Hätte die Notenbank damals zum Beispiel bei drei Prozent eine Pause eingelegt und abgewartet, wäre der Immobilienmarkt sicherlich auch unter Druck geraten, aber womöglich nicht so gecrasht wie es dann passierte.

Zombie-Unternehmen könnten neue Wirtschaftskrise auslösen

Gefahr droht derzeit womöglich durch die vielen Zombie-Unternehmen, also solche, deren Erträge nicht ausreichen, um die Zinslast zu schultern. Da diese trotz der tiefen Zinsen in der Vergangenheit bereits 15 Prozent aller Unternehmen in den OECD-Ländern ausmachten, wird ihre Anzahl möglicherweise rasant steigen, wenn sie zu den jetzt stark gestiegenen Zinsen neu finanzieren müssen. Selbst Unternehmen, die noch die Kreditwürdigkeit Investment Grade verdienen, müssen mit sechs Prozent Zins mittlerweile das dreifache dessen für neues Fremdkapital bezahlen wie vor zwei Jahren.

Es könnte also durchaus sein, dass die Fed eine neue Krise auslöst, die dann plötzlich wieder eine 180-Grad-Wende in der Geldpolitik notwendig macht. Beobachtet haben wir dies schon häufiger in der Vergangenheit. Umso wichtiger ist es, Unternehmen im Portfolio zu haben, die der stark gestiegene Zins nicht besonders tangiert, weil sie nur eine geringe oder gar keine Verschuldung haben und auch für die Finanzierung ihres laufenden Geschäftes kein Fremdkapital benötigen.

In den nächsten Jahren wird sich in der Unternehmenslandschaft die Spreu vom Weizen immer stärker trennen. Neben der Frage der Energieabhängigkeit und der geographischen Nähe zu geopolitischen Risiken wird auch die Verschuldung dabei ein weiterer Scharfrichter sein.

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