Durststrecke der Industrie geht weiter - "Kein baldiger Aufschwung"

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Berlin (Reuters) - Die Durststrecke der deutschen Industrie setzt sich mit dem fünften Auftragsminus in Folge fort.

Die Bestellungen sanken im Mai überraschend um 1,6 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Ökonomen hatten hingegen mit einem Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet. "Der Abwärtstrend ist noch immer in vollem Gang", sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Für das abgelaufene Quartal zeichne sich ein klares Auftragsminus ab. "Es bleibt zu hoffen, dass die Weltwirtschaft ein noch weiteres Abrutschen abmildert." Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) erwartet jedoch vorerst kaum Besserung. "Trotz robuster Weltkonjunktur ist bei den Unternehmen noch kein Zuwachs von Auslandsbestellungen spürbar", erklärte DIHK-Außenwirtschaftsexpertin Melanie Vogelbach.

Die Lage der globalen Industrie etwa in den USA und in China sei ebenfalls schwierig, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Eine deutliche Verbesserung zeichne sich kurzfristig nicht ab. "Damit wird das deutsche Wachstum nicht auf Touren kommen." Ähnlich sieht es die DIHK, die zudem auf eine maue Nachfrage aus dem Inland verweist. "Auch wegen handfester struktureller Probleme wie hohe Kosten für Energie oder Personal, bürokratische Lasten sowie Fachkräftemangel halten sich die heimischen Unternehmen mit Aufträgen zurück", sagte Vogelbach. "Daher ist mit einem baldigen Aufschwung erst einmal nicht zu rechnen."

AUSLANDSGESCHÄFT SCHWÄCHELT

Die Auftragsdaten signalisierten eine eher verhaltene Industriekonjunktur in den kommenden Monaten, kommentierte auch das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung. "Erst im Zuge der weiteren Erholung des Welthandels und der allmählichen Belebung der Nachfrage nach Industrieerzeugnissen dürften sich die Auftragseingänge stabilisieren."

Im April hatte es ein Minus von 0,6 Prozent gegeben. Die Aufträge aus dem Inland stiegen im Mai um 0,5 Prozent, die aus dem Ausland fielen um 2,8 Prozent. Vor allem mit dem Neugeschäft aus Ländern außerhalb der Euro-Zone ging es mit minus 4,6 Prozent spürbar bergab.

Ohne die oft stark schwankenden - und diesmal überdurchschnittlich vielen - Großaufträge gab es im Mai einen Rückgang der Bestellungen zum Vormonat um 2,2 Prozent. Im Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von März 2024 bis Mai 2024 sogar um 6,2 Prozent niedriger als in den drei Monaten zuvor. Während die Aufträge bei Maschinen, Anlagen und anderen Investitionsgütern um 4,3 Prozent zum April sanken, stiegen die Bestellungen von Konsumgütern um 4,9 Prozent.

In den einzelnen Branchen lief es unterschiedlich gut. Weniger Bestellungen gab es in den gewichtigen Bereichen Maschinenbau (-1,9 Prozent), Kfz und Kfz-Teile (-2,9 Prozent), bei den Herstellern pharmazeutischer Erzeugnisse (-2,4 Prozent) sowie im sonstigen Fahrzeugbau (-19,2 Prozent). Einen Anstieg verbuchten die Bereiche Daten-, elektrische und optische Geräte (+11,2 Prozent), Metallerzeugung und -bearbeitung (+3,8 Prozent) sowie Chemie (+1,7 Prozent).

AUCH INDUSTRIE-UMSATZ SINKT- ERHOLUNG LÄSST AUF SICH WARTEN

Gesunken ist im Mai auch der Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe: Er fiel um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat, nach minus 1,0 Prozent im April.

"Wir halten es weiter für das wahrscheinlichere Szenario, dass sich die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte erholen wird", sagte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Allerdings stützten die Auftragsdaten die Erwartung, dass diese Belebung – "anders als von vielen erwartet – im zweiten Quartal noch nicht eingesetzt hat und diese auch eher moderat ausfallen wird", warnte Solveen. "Und das Risiko nimmt zu, dass der Start der Erholung sich noch weiter verzögern wird."

(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)