Spekulation auf Frieden – oder ist das schlimmste Szenario noch nicht erreicht?
Bezugnehmend auf meine Kolumne von vor einer Woche ist das von mir skizzierte Szenario 1 eingetroffen. Die Russen sind in die Ukraine einmarschiert und wir haben Krieg, und zwar nicht nur in den Separatistengebieten. Ganz offenbar geht es Russland darum, die gesamte Ukraine unter ihre Kontrolle zu bringen. Demgemäß gilt nun also die Börsenweisheit: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Die ersten Reaktionen der Aktien seit gestern Morgen bestätigen auch diesmal zumindest bis jetzt ihre Richtigkeit.
Reicht Putin die Ukraine?
Die Mission sollte aus Sicht Russlands wohl erfolgreich verlaufen, das deutet sich derzeit an. Sollte sich abzeichnen, dass Russland und Wladimir Wladimirowitsch Putin damit ihre Ziele erreicht haben, dann sollten nach aller Erfahrung die Aktienmärkte weiter steigen. Russland hätte dann faktisch die Kontrolle über Weißrussland, Georgien und die Ukraine, und Experten zufolge wäre damit das Ur-Russland wieder hergestellt.
Oder will Putin den Status Quo von 1997?
Wäre das schlimmste Szenario mit dem Einmarsch in die gesamte Ukraine bereits erreicht, müssten sich Aktienanleger insofern wohl keine Sorgen mehr machen, trotz allem menschlichen Leides, dass einen durchaus mit Sorge erfüllen muss. Was aber, wenn die Großmannssucht Putins dahin geht, dass er den Status Quo von 1997 wiederherstellen will und diese Angst sich relativ schnell nach Beendigung der Mission in der Ukraine manifestiert? Dann würde sich die Situation fundamental ändern. Denn 1997 wiederherzustellen, würde bedeuten, dass sowohl die baltischen Staaten als auch Polen und Ungarn und weitere osteuropäische Staaten die NATO verlassen müssten. Dies ist kaum vorstellbar. Würde Putin dann so weit gehen, oder bestünde auch nur die Angst, dass er beispielsweise die baltischen Staaten, die ja auch einst zur Sowjetunion gehörten, angreift, gäbe es wohl an den Börsen kein Halten mehr. Denn dann träte Artikel 5 des NATO-Vertrages in Kraft, so dass sich die gesamte NATO mit Russland im Krieg befände. Ein Szenario, dass man sich gar nicht vorstellen möchte.
Atomwaffen als Friedensbewahrer?
Ich bin kein ausgewiesener Politik-, Kriegs- oder Osteuropaexperte. Trotzdem erlaube ich mir, als berechtigte Hoffnung zu äußern, dass es zu dem vorherigen beschriebenen Szenario nicht kommt. Denn schon im kalten Krieg kam es am Ende zu keiner direkten Konfrontation des Ostblocks und des Westens. Der Hauptgrund dürfte das auf beiden Seiten vorhandene reichliche Atomwaffenarsenal gewesen sein. Es machte für beide Seiten unmöglich, einen Krieg zu gewinnen, weil er die vollkommene Vernichtung aller betroffenen Länder, wenn nicht unseres Globus bedeutet hätte.
Der russische Präsident Putin pfeift auf das Völkerrecht und auch auf das Menschenrecht im Allgemeinen, das wissen wir. Aber er hat bisher nicht den Eindruck gemacht, für selbstzerstörerische Missionen zu haben zu sein. Hoffen wir alle, dass seine Liebe zu Russland so groß ist, dass er es nicht in Schutt und Asche legen will und hoffen wir, dass wenigstens diese Einschätzung richtig ist, nachdem ja einige prominente Politikerinnen und Politiker in Deutschland nun einräumen müssen, dass sie sich in Putin massiv geirrt haben.