Anklage - Bankier Olearius machte bei Cum-Ex Druck auf Politik
Bonn (Reuters) - Mit der Verlesung der Anklage hat vor dem Bonner Landgericht der Cum-Ex-Steuerprozess gegen den ehemaligen Warburg-Chef Christian Olearius begonnen.
Um Steuerrückzahlungen für die Hamburger Privatbank zu verhindern, habe Olearius Druck auf den damaligen Hamburger Ersten Bürgermeister Olaf Scholz und andere Politiker gemacht, sagte Staatsanwältin Stephanie Kerkering am Montag vor Gericht. Olearius habe sich mehrmals mit Scholz getroffen, um das Thema anzusprechen. Die Anklage wirft dem 81jährigen Bankier schwere Steuerhinterziehung vor. Seine Anwälte wollen sich am Mittwoch zu den Vorwürfen äußern.
In dem Verfahren geht es um Cum-Ex-Geschäfte mit Aktiendividenden, die für einen der größten Steuerskandale in der Geschichte der Bundesrepublik sorgten. Die Staatsanwaltschaft wirft Olearius schwere Steuerhinterziehung vor, der Schaden für den Fiskus liege bei knapp 280 Millionen Euro. Olearius habe sich mit anderen Personen innerhalb und außerhalb der Hamburger Privatbank Warburg zu Cum-Ex-Geschäften verabredet, sagte Staatsanwältin Kerkering. Der Profit bei diesen Geschäften habe "auf der betrügerischen Erlangung von Steuergeldern basiert". Der Bankier hat die Vorwürfe immer wieder bestritten. Die 13. Große Strafkammer des Landgerichts verhandelt unter dem Vorsitz von Richterin Marion Slota-Haaf über den ehemaligen Vorstand und Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der M.M. Warburg Bank. Olearius muss in Zukunft wohl oft nach Bonn fahren - das Gericht hat bis in den März hinein Verhandlungstermine angesetzt.
Der Fall Warburg spielt auch eine Rolle in der Bundespolitik. Die Union hatte erfolglos die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag gefordert. Bundeskanzler Olaf Scholz wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister Einfluss auf die Cum-Ex-Steueraffäre genommen zu haben. Scholz hat dies immer wieder zurückgewiesen. Die Steuerbehörden der Hansestadt hatten in dem Fall auf eine Forderung von 47 Millionen Euro an die Warburg Bank verzichtet. Scholz hatte damals - in den Jahren 2016 und 2017 - mehrfach Kontakt mit Olearius.
"Cum-Ex-Geschäfte sind organisierte Kriminalität", sagte Finanzexperte Fabio De Masi in Bonn. Der Prozess in Bonn zeige, dass sich auch "oberste Entscheidungsträger nicht dem Rechtsstaat entziehen können". Symbolisch sitze auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit auf der Anklagebank. "27 Mal taucht sein Name in der Anklageschrift auf", so der frühere Bundestagsabgeordnete der Linken, der sich seit langem mit dem Fall beschäftigt.
Bei den Cum-Ex-Geschäften war dem deutschen Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Anleger ließen sich dabei eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - also cum - und ohne - ex - Dividendenanspruch. Die Fälle hatten weite Kreise gezogen, bei Banken und Anwaltskanzleien gibt es deswegen immer wieder Durchsuchungen. Allein die Staatsanwaltschaft Köln führt aktuell noch rund 120 Ermittlungsverfahren im "Cum-Ex-Bereich", die sich ihren Angaben zufolge gegen rund 1700 Beschuldigte richten.
(Bericht von Matthias Inverardi, Mitarbeit Christian Krämer, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)