Kolumne von Alexander Mayer

Gilt "Sell in May and go away" dieses Jahr für Bitcoin?

decentralist.de · Uhr
Quelle: Overearth/Shutterstock.com

Bitcoin hat unter anderem dank der ETF-Einführung in den USA einen starken Jahresstart hinter sich. Spätestens seit Anfang März ist jedoch vorerst der Deckel drauf und der Kurs konnte nicht nachhaltig über die Marke von 70.000 Dollar klettern. Auch das Halving hat, im Einklang mit historischen Preisentwicklungen, nicht sofort für eine neue Rally gesorgt.

Ein Blick auf die Saisonalität von Bitcoin

Bitcoin hat als Anlageklasse mittlerweile eine Größe erreicht, die es für makroökonomische Faktoren sehr empfänglich macht. Die Geldpolitik, die wirtschaftliche Entwicklung, deren Erwartung sich an den allgemeinen Märkten widerspiegelt, aber auch wiederkehrende saisonale Effekte haben mittlerweile einen Einfluss auf den Bitcoin-Kurs. Daher ist die Frage durchaus gerechtfertigt, ob das alte Börsensprichwort „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ auch für Bitcoin gilt.

Ein Blick auf die Saisonalität von Bitcoin zeigt, dass der Mai in der Vergangenheit eher ein schwacher Monat für die Preisentwicklung war. Die durchschnittliche Kursentwicklung liegt laut Daten der On-Chain-Analyse-Firma coinglass (seit Aufzeichnung 2013) zwar bei +7,7 Prozent. Der Durchschnittswert ist aufgrund der wiederkehrend hohen Ausreißer der Bitcoin-Kursentwicklung aber weniger sinnvoll als der Median-Wert. Das ist der Wert, bei dem die Hälfte der beobachteten Werte darüber und die andere darunter liegt. Und dieser Median-Wert ist sogar negativ: -3,2 Prozent.

Allerdings sollte man die Saisonalität von Bitcoin im Hinblick auf die wiederkehrenden vierjährigen Zyklen um die Halvings herum ebenfalls berücksichtigen. Ein Halving-Jahr war, genau wie dieses, bisher stets das Jahr, indem eine Bitcoin-Rally richtig an Fahrt aufgenommen hat. In den vergangenen Halving-Jahren 2012, 2016 und 2020 war der Mai stets ein positiver Monat mit einer Kursentwicklung von 8,0, 18,7 und 9,5 Prozent.

Währenddessen hat er in den anderen Jahren überwiegend schlecht abgeschnitten. Selbst in den Jahren nach dem jeweiligen Halving, in dem sich bisher der jeweilige Höhepunkt einer Bitcoin-Rally ("Bullrun") abgespielt hat, war der Mai öfter ein Monat mit negativer als mit einer positiven Performance. Lediglich im Jahr 2017, als der Bitcoin-Preis die Marke von 20.000 Dollar im Finale des vorletzten Bullruns angekratzt hat, hatte er mit einem Plus von 53 Prozent seinen bisher besten Monat.

Schaut man auf den erweiterten Zeitraum Mai bis September, erweist sich das Sprichwort wohl insgesamt als richtig. Denn der Juni ist mit einem Median-Wert von nur 2,2 Prozent im Vergleich zu anderen Monaten auch eher schwach. Und der Durchschnittswert von nur plus 0,25 Prozent darauf hinweist, dass es im Juni schon oft heftige Abverkäufe gegeben hat. Beispielsweise in den Bärenmarkt-Jahren 2018 und 2022 mit Verlusten von 15 beziehungsweise 37 Prozent. Der August und September sind mit einem Median-Wert von minus 7,5 Prozent beziehungsweise minus 5,6 Prozent ebenfalls schwach. Der einzige positive Ausreißer ist der Juli mit einem Median von plus 9,6 Prozent. 

Ins Schwarze trifft das Sprichwort, wenn man es denn auch bei Bitcoin anwenden möchte, vor allem mit seinem Ratschlag, im September wieder in den Markt einzusteigen. Denn die historisch mit Abstand stärkste Marktphase für Bitcoin liegt im vierten Quartal eines Jahres. Alle Allzeithochs, die den Höhepunkt eines jeweiligen Bullenmarktes markiert haben, sind bisher im vierten Quartal eines Jahres aufgetreten.

2013 und 2021 haben wir den im November gesehen, 2017 hat Bitcoin seinen Höhepunkt im Dezember erreicht. Die Median- und Durchschnittswerte liegen in diesen drei Monaten ebenfalls mit Abstand am höchsten. Der Oktober zeigt den höchsten Median-Wert des Jahres mit einem Plus von 27,7 Prozent. Der November liegt bei einem Median von plus 8,8 Prozent, der hohe Durchschnittswert von 47 Prozent zeigt jedoch, die in vielen Jahren aufgetretenen, extremen Rallys. Der Dezember markiert den Schluss mit schwächeren Werten, mit einem Durchschnittswert von plus 5,5 Prozent und einem Median sogar im Minus-Bereich von minus 3,6 Prozent.

Wie sieht es für dieses Jahr aus?

Der Jahresanfang war ungewöhnlich stark. Das letzte Mal haben wir so gute Kursentwicklungen von Januar bis März im Jahr 2021 und im Jahr 2013 gesehen. Angetrieben wurde die starke Preisentwicklung von den neuen ETF-Märkten, die der Wall Street das Tor in die Krypto-Welt geöffnet haben.

Der größte Treiber war jedoch die neue Liquidität, die über verschiedene Mechanismen in die Märkte geströmt ist. Der größte Auslöser ist hier die Schuldenpolitik der US-Regierung, die über die Ausgabe von kurzfristig laufenden Anleihen eine Drainage aus der Reverse Repo Facility ausgelöst hat, einem isolierten Geldtopf der US-Notenbank. Der war seit Corona reichlich gefüllt. Nun wird er durch die hohen Zinsen am kurzen Ende der Zinskurve über die Ausgabe neuer Staatsanleihen entleert, da vor allem Geldmarktfonds die höhere Rendite bei Anleihen mitnehmen möchten.

Diese Dynamiken haben sich seit Februar abgeschwächt und auch die Rally des Bitcoin-Kurses gebremst. Bitcoin als Anlageklasse reagiert mit der größten Sensibilität auf eine Veränderung der Geldmenge und Liquidität im System. Die US-Regierung hat aufgrund saisonaler Effekte derzeit eine große Menge an Steuereinnahmen und muss daher weniger Schulden aufnehmen. Dadurch gerät weniger neue Liquidität ins System.

Das wird sich jedoch wieder ändern, sobald das Geld aufgebraucht ist. Die US-Regierung fährt einen defizitären Haushalt und muss bald wieder sehr viele neue Schulden aufnehmen. Gleichzeitig erwägt die Fed, die Geschwindigkeit des "Quantitative Tightenings", also des Reduzierung der eigenen Bilanzsumme, prall gefüllt mit US-Staatsanleihen und Pfandbriefen, bereits im Mai deutlich zu verringern.

Bald dürfte sich die Liquiditätsituation also wieder deutlich verbessern. Das Timing vorherzusagen ist wie immer eine schwierige Kunst. Es könnte durchaus sein, dass diese Effekte erst später im Jahr zur Geltung kommen und das Sprichwort einmal mehr ein gutes Timing liefert.

Für langfristig orientierte Investoren ist das aber ohnehin zweitrangig. Die fundamentale Situation bleibt dieselbe: die Probleme im US-Bankensektor und bezüglich der Schuldensituation der US-Regierung können nur durch eine lockere Geldpolitik und künstliche Liquidität beantwortet werden, da am Markt nicht mehr genug Ressourcen vorhanden sind, um die neuen Schulden aufzukaufen. Zur Alternative eines extrem restriktiven Sparprogramms wird sich kein Politiker hinreißen lassen, der in diesem US-Wahljahr (wieder)gewählt werden möchte. Die neue Liquidität wird Vermögenswertpreise – allen voran den Bitcoin-Kurs – erneut aufblähen.

Denken Sie langfristig!

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