Interview mit Investor Christian Röhl

"Jedes erfolgreiche Unternehmen zahlt irgendwann Dividenden"

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Dividendensaison läuft auf Hochtouren. Im Interview verrät Investor Christian Röhl, welche positiven und negativen Überraschungen er ausmacht, was er von Aktiendividenden hält und wie er in Anleihen investiert.

Quelle: Monster Studio/ Shutterstock

Herr Röhl, die laufende Dividendensaison beschert Anlegerinnen und Anlegern im Dax, MDax und SDax einen neuen Ausschüttungsrekord: 62,5 Milliarden Euro zahlen die Unternehmen an Dividende. Ein Grund zu feiern?

Ich habe unsere Dividendenstudie mit dem Titel "Rekorde ohne Euphorie" betitelt. Und das trifft es ganz gut. Der Rekord im Dax liegt zum einen an den Finanzwerten wie Deutsche Bank, Allianz oder Münchener Rück, die alle ihre Ausschüttung deutlich angehoben haben. Zum anderen an den Autotiteln, also VW, BMW, Mercedes und Co., die beeindruckend stabil sind. In Summe reichte das, um das Gesamtvolumen hoch zu halten, obwohl Bayer und Fresenius fast komplett ausgefallen sind und es unterhalb des Dax bei Weitem nicht so gut lief. Dass deutsche Unternehmen einen weiteren Dividendenrekord erzielt haben, spricht auch mitnichten für die Stärke des Standorts. Erfolgreich sind die großen Unternehmen, die sich global aufgestellt und teilweise auch Aktivitäten ins Ausland verlagert haben. Im MDax und SDax sieht das anders aus. 

Quelle: Christian W. Röhl

Zur Person: Christian W. Röhl ist Investor, Medienunternehmer ("Echtgeld-TV", "Dividendenadel") und Autor ("Cool bleiben und Dividenden kassieren"). Einmal jährlich veröffentlicht er zusammen mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) eine Studie zum Ausschüttungsverhalten börsennotierter deutscher Unternehmen. Röhl ist seit dem Verkauf der von ihm mitgegründeten Zertfikatejournal AG an Axel Springer im Jahr 2007 als Vermögensverwalter in eigener Sache unterwegs. 

Soweit der Blick zurück. Wie sieht es denn fürs kommende Jahr aus?

Die Zuwächse bei den Dividenden von Finanztiteln sollten wir sicher nicht einfach fortschreiben. Die hohen Dividenden in diesem Jahr waren auch bilanziellen Umstellungen geschuldet. Und auch der positive Zinswende-Effekt wird irgendwann aufgebraucht sein. Bedeutet: Sie werden das Niveau aus diesem Jahr wahrscheinlich bestätigen, aber nicht nochmal so stark zulegen. Spannend bleibt es in der Autobranche. Die hat im Moment noch satte Cashflows. Die Frage wird sein, ob sie die aufrecht erhalten können. 

Schaut man sich die Bewertungen der Auto-Aktien an, scheint der Markt ein "Nein" einzupreisen. Eine Übertreibung nach unten?

Ich maße mir da kein Urteil an. Zumal die Hersteller zwar in einen Topf geworfen werden, BMW, VW und Mercedes aber sehr unterschiedliche Strategien verfolgen.

Ein großes Risiko für die Dividendensumme im kommenden Jahr schlummert aber bei BASF. Der Konzern schüttet dieses Jahr schon den gesamten freien Cashflow des Vorjahres als Dividende aus. Die Prognose für den freien Cashflow in diesem Jahr liegt noch einmal deutlich darunter. Hier stellt sich also die Frage, ob BASF trotzdem an der hohen Dividende festhalten wird. Keine leichte Aufgabe für den neuen Chef Markus Kamieth. 

Ein anderer Problemfall im Dax ist Fresenius. Der Gesundheitskonzern lässt die Ausschüttung in diesem Jahr ganz ausfallen. Dabei war er ja mal die Dividendenaktie schlechthin mit 29 Erhöhungen in Folge bis 2022...

Ja, wobei Fresenius lange Jahre zumeist weniger als ein Viertel des Nettogewinns ausgeschüttet hat und das eher eine Alibi-Dividende war. Klar war immer: Fresenius hat sehr stark zugekauft und dafür viel Fremdkapital aufgenommen. Und Fremdkapitalgeber wollen natürlich die Dividende klein halten, weil das Geld für ihre Zinsen gebraucht wird. Wenn sich dann noch herausstellt, dass die Zukäufe weniger werthaltig und profitabel sind als gedacht, bekommt man eben Probleme. Und wenn man dann vor der Wahl steht: Energiepreis-Hilfen zurückzahlen oder Dividende streichen, ist der diesjährige Ausfall der richtige Schritt.

Die Dividende zu streichen ist ein Mittel, um Geld zu sparen. Ein anderes, das etwa der Immobilienkonzern Vonovia anwendet, ist, die Dividende in Aktien des eigenen Unternehmens anzubieten. Würden Sie sie wählen als Vonovia-Aktionär?

Ich finde, die Aktiendividende bei Vonovia ist eine faire Geschichte und mir gefällt auch das Instrument an sich sehr gut. Es ist nur schade, dass sie relativ bürokratisch ist und steuerlich behandelt wird wie eine ganz normale Dividende - man also Steuern zahlen muss, obwohl man de facto gar nichts verkauft hat.

Wobei im Fall Vonovia die Dividende - ob bar oder als Aktie - dieses Jahr grundsätzlich steuerfrei bleibt. Stichwort: Steuerliches Einlagekonto. Ist das für Sie als Dividendeninvestor eigentlich ein Kriterium bei der Auswahl?

Nein. Außerdem sind steuerfreie Dividenden ja nicht wirklich steuerfrei. Die Steuer wird nur gestundet, bis man die Aktie verkauft. 

Ich dachte, Sie würden nie verkaufen...

Ich verkaufe nicht, so lange das Unternehmen funktioniert und der "Investment-Case" intakt ist. Oder um es mit Warren Buffett zu sagen: Meine bevorzugte Haltedauer ist ewig. Im Ernst: Was gut ist an steuerfreien Dividenden, ist, dass sie dazu incentivieren, Aktien lange zu halten. Sonst verliert man den Steuervorteil. Und wer Aktien immer wieder verkauft, macht auch den Zinseszins-Effekt kaputt, weil jeder Gewinn bei Verkauf neu versteuert werden muss.  

Apropos lange beziehungsweise ewig: Der Kosmetikkonzern Beiersdorf schien ewig die gleiche Dividende auszuschütten. 14 Jahre lang gab es nur schmale 70 Cent je Aktie. Doch damit ist jetzt Schluss. Beiersdorf spendiert dieses Jahr einen ganzen Euro. Hätten Sie damit gerechnet?

Ich hatte mich auch an die 70 Cent gewöhnt. Es hieß ja auf der Hauptversammlung immer: Wir wollen Pulver trocken halten, um mal größer investieren zu können. Das ist nie passiert. Finde ich auch gar nicht schlimm. Wer weiß, welche Probleme eine größere Übernahme mit sich gebracht hätte. Und Beiersdorf hat ja bewiesen, dass das Unternehmen auch aus eigener Kraft wachsen kann. 

International brachte die vergangene Woche eine neue Dividendenaktie hervor: Google-Mutter Alphabet hat angekündigt, am 17. Juni erstmals eine Ausschüttung leisten zu wollen; 20 US-Cent je Aktie.

Das zeigt: Früher oder später zahlt jedes erfolgreiche Unternehmen Dividende. Das beweisen in diesem Jahr auch die Fälle Meta, Salesforce, Booking und jetzt eben Alphabet. Die Aufnahme der Zahlung ist ein klares Bekenntnis dazu, die Dividende auch sukzessive zu steigern. Noch ist die Rendite sicher zu vernachlässigen. Aber das Gewinnwachstum von heute ist die Dividendenrendite von morgen. Und bei Meta zum Beispiel hätte man - bei einem Einstieg zum Kurs-Tiefpunkt in den vergangenen zwei Jahren - auch schon mal eine ganz ordentliche Rendite einloggen können. 

Gut zwei Prozent, um genau zu sein. Da ist am Bondmarkt derzeit mehr drin. Zehnjährige Bundesanleihen liegen wieder bei mehr als 2,5 Prozent Rendite. Gucken Sie hin und wieder auch mal rüber auf den Anleihemarkt?

Ja, klar. Warum sollte ich auch eine so große Anlageklasse komplett außen vor lassen? Lange bekam man am Anleihemarkt ja nur Risiko, aber keinen Zins. Das ist jetzt wieder anders. Ich selbst habe deshalb bei rund fünf Prozent Renditeniveau mal in langlaufende US-Staatsanleihen, so genannte Treasuries, investiert. Außerdem habe ich einen ETF auf europäische Hochzinsanleihen. Die boten und bieten sogar immer noch Renditen jenseits der sechs Prozent. Wichtig ist aber, dass man die Laufzeit im Auge behält. Bei dem Hochzins-ETF ist die relativ kurz. Die Duration beträgt nur knapp drei Jahre. Dann ist die Kursbewegung nicht so groß, wenn sich die Zinsen mal ändern.

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