Ryanair streicht 20 Prozent des Flugprogramms in Berlin
Berlin/Frankfurt (Reuters) - Europas größter Billigflieger Ryanair streicht ein Fünftel seines Flugangebots in Berlin wegen hoher Standortkosten. "In einer Zeit, in der Berlin eigentlich wachsen sollte, bleibt Ryanair keine andere Wahl, als die Kapazität aufgrund dieser horrenden Flugkosten um 20 Prozent zu reduzieren", sagte Airline-Chef Eddie Wilson am Dienstag in Berlin. Deshalb werde die Zahl der am BER-Airport stationierten Ryanair-Flugzeuge von neun auf sieben reduziert. Dies führe ab dem Sommerflugplan im April 2025 zu einem Verlust von 750.000 Sitzplätzen. Die sechs Strecken nach Brüssel, Kaunas, Krakau, Luxemburg, Riga und Chania auf Kreta würden gestrichen. Ryanair werde seine Kapazitäten in andere EU-Länder mit niedrigeren Kosten verlagern - wie Italien, Polen und Spanien, hieß es.
Die irische Airline wird nach Wilsons Worten nun Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern aufnehmen, um die Folgen der Kürzungen für die Belegschaft zu erörtern. Im Schnitt kämen auf ein Flugzeug gut 30 direkte Beschäftigte, davon rund 20 Kabinenpersonal und etwa zehn Pilotinnen und Piloten.
Ryanair fordert die Bundesregierung seit längerem auf, Steuern und Gebühren für den Luftverkehr zu senken. Erst vorige Woche hatte Wilson gedroht: "Wenn diese extrem hohen Steuern nicht reduziert werden, wird Ryanair im Sommer 2025 weitere 1,5 Millionen Sitzplätze aus dem deutschen Angebot streichen." Deutschland solle die jüngste Erhöhung der Luftverkehrssteuer rückgängig machen und diese Abgabe letztlich abschaffen. Zudem sollte der Bund die steigenden Flugsicherungsgebühren senken und die für Januar 2025 geplante Anhebung aufschieben, erklärte die Airline. Deutschland hinkt wegen der vergleichsweise hohen Luftverkehrskosten anderen Ländern bei der Erholung der Luftfahrt nach der Corona-Krise weit hinterher. Denn auch andere Fluglinien wie Easyjet haben in der Vergangenheit ihr Flugangebot ausgedünnt. "Niemand füllt die Lücke", sagte Wilson.
DEUTSCHLAND NACH CORONA-KRISE ABGEHÄNGT
Im ersten Halbjahr lag das Angebot in Deutschland dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zufolge bei 71 Prozent des Volumens von 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Pandemie. In Europa liegt das Angebot mit 112 Prozent im Durchschnitt höher als vor der Corona-Krise. Der Marktanteil von Ryanair, Easyjet oder Wizz Air beträgt in Deutschland 26 Prozent - in Rest-Europa sind es 42 Prozent.
Die deutschen Flughäfen haben dem BDL zufolge die höchsten staatlichen Standortkosten in Europa: Ein typischer Mittelstreckenflug mit einem Airbus A320 kostet nach Daten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Frankfurt, Stuttgart oder Düsseldorf rund 4400 Euro an Steuern und Gebühren. Das sind fast 25 Euro pro Passagier und 84 Prozent mehr als 2019. In Rom ist es etwa die Hälfte, in Madrid ist es mit 660 Euro viel billiger. In Dublin, dem Heimatstandort von Ryanair, sind es sogar nur 244 Euro. Der BDL und der Flughafenverband ADV schlagen Alarm, dass Deutschland im Luftverkehr immer dünner mit Europa vernetzt ist, was der Wirtschaft schade. Den größten Batzen macht die Luftverkehrssteuer aus (53 Prozent), gefolgt von den Luftsicherheitsabgaben für die Kontrollen an den Flughäfen (39 Prozent). Der kleinste Posten sind die Flugsicherungsgebühren (acht Prozent). Abgaben und Gebühren sollen 2025 weiter steigen.
(Bericht von Klaus Lauer und Ilona Wissenbach; redigiert von Sabine Wollrab - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)