US-Inflation ebnet Weg für Zinswende - Börse erwartet kleinen Schritt
- von Lucia Mutikani
Washington/Berlin (Reuters) - Der Preisauftrieb in den USA lässt spürbar nach und macht den Weg für eine Zinswende in der kommenden Woche frei.
Die Teuerungsrate sank im August auf 2,5 Prozent, nach 2,9 Prozent im Juli, wie das Arbeitsministerium am Mittwoch in Washington mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit einem Rückgang auf 2,6 Prozent gerechnet. Von Juli auf August stiegen die Preise wie von Experten erwartet um 0,2 Prozent. An den Terminmärkten wird damit gerechnet, dass die Notenbank Federal Reserve den Leitzins am 18. September um einen Viertel-Prozentpunkt senken wird. Derzeit liegt er noch in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent.
Die Chance, dass die Fed sie um einen halben Prozentpunkt nach unten setzt, gilt als eher gering. Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen XL-Schritt, über den an den Märkten zwischenzeitlich stärker spekuliert wurde, wird nunmehr nur noch auf 15 Prozent taxiert.
Bei dem von der Fed stark beachteten zugrundeliegenden Inflationstrend zeichnet sich in den USA noch keine Entspannung ab: Die sogenannte Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Kosten für Energie und Lebensmittel außen vor bleiben, verharrte im August auf dem Vormonatswert von 3,2 Prozent. Experten hatten damit gerechnet. "Der Inflationsschreck ist deutlich verblasst, das Inflationsthema ist aber besonders mit Blick auf die Kernrate nicht erledigt", meint Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.
An der Wall Street kamen diese Aussichten nicht gut an. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte verlor zum Handelsstart ein Prozent auf 40.310 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 gab 0,5 Prozent nach, der Index der Technologiebörse Nasdaq pendelte kaum verändert bei 17.000 Punkten. Die hartnäckige Kernteuerung spricht aus Sicht von Börsianern für eine behutsame geldpolitische Lockerung, nachdem einige Investoren auf den großen Zinsschritt nach unten gewettet hatten. "Die Fed hätte gern niedrigere Zahlen gesehen, um eine mögliche Senkung um 50 Basispunkte bei der kommenden Sitzung zu rechtfertigen(…), aber diese Daten machen eine Senkung um 25 Basispunkte wahrscheinlicher", sagte Jason Pride, Leiter der Anlagestrategie und Analyse bei Glenmede.
Der Euro gab nach den US-Inflationsdaten gegenüber der US-Währung auf 1,1024 Dollar von zuvor 1,1042 Dollar nach. Auch der Euroraum steht wahrscheinlich vor einer Zinssenkung: Die Finanzmärkte gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nach der Zinswende vom Juni am Donnerstag einen weiteren Schritt nach unten beschließen wird.
Während die EZB also bereits vor einer zweiten geldpolitischen Lockerung steht, hielt die US-Notenbank die Füße bislang noch still: Doch Fed-Chef Jerome Powell gab den Finanzmärkten im August auf dem Notenbankforum in Jackson Hole das erhoffte Signal für einen Lockerungsschritt: Es sei an der Zeit, die Geldpolitik anzupassen.
"AKTUELLES ZINSNIVEAU SEHR HOCH"
Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank geht davon aus, dass die Fed die Zinsen "ruhigen Gewissens" senken kann. Das Leitzinsniveau sei gemessen an der aktuellen Inflation, selbst unter Einschluss der Kerninflationsrate, sehr hoch. "Das gegenwärtige Zinsniveau von über fünf Prozent birgt das Risiko, dass wenn es noch längere Zeit auf diesem hohen Niveau verbleibt, deutliche realwirtschaftliche Bremsspuren hinterlässt." Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn US-Unternehmen in den kommenden Jahren für ihre Kredite eine deutlich kostspieligere Anschlussfinanzierung eingehen müssten.
(Büro Washington, geschrieben von Reinhard Becker, Shashwat Chauhan und Lisa Mattackal. Unter Mitarbeit von Klaus Lauer und Anika Ross. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)