Karlsruhe billigt Eingriffe zur Finanzierung von Strompreisbremse
Karlsruhe/Berlin (Reuters) - Die Abschöpfung ungewöhnlich hoher Gewinne im Energiebereich war in der Ausnahmesituation nach dem russischen Angriff auf die Ukraine rechtens.
Die Maßnahme der Ampel-Regierung habe das legitime Ziel gehabt, Verbraucher zu entlasten und vor sehr hohen Preisen zu schützen, erklärte das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag. Die Bundesregierung zeigte sich zufrieden. Die Wirtschaft forderte, solche Eingriffe in den Markt müssten eine Ausnahme bleiben.
Deutschlands höchstes Gericht wies mit dem Urteil die Verfassungsbeschwerden von 22 Ökostromerzeugern zurück, die ihren Strom aus Photovoltaik, Windkraft und Biomasse gewinnen. Der Bund hatte Ende 2022 eine Strompreisbremse eingeführt, um Privathaushalte und Unternehmen zu entlasten. 80 Prozent ihres vorangegangenen Stromverbrauchs wurden für Haushalte auf 40 Cent je Kilowattstunde gedeckelt. Unternehmen erhielten den Strom bis zu 70 Prozent ihres Vorjahresverbrauchs zu 13 Cent.
Zur Finanzierung wurden teilweise sogenannte Überschusserlöse von Ökostromerzeugern abgeschöpft. Begründet wurde das vom Wirtschaftsministerium damit, dass die Betreiber kaum höhere Produktionskosten hatten - im Gegensatz zu Stromerzeugern, die die Energie etwa in Gaskraftwerken herstellten, da der Gaspreis zwischenzeitlich explodiert war.
"UNVERZICHTBARES GEBRAUCHSGUT"
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, sprach zwar von einem erheblichen Eingriff in die im Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit. Dies sei aber in der Ausnahmesituation 2022 gerechtfertigt gewesen. Es habe sich um eine Umverteilung gehandelt, keine Steuer oder Abgabe. "Strom ist ein zur Deckung existenzieller Bedarfe unverzichtbares Gebrauchsgut." Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei zudem befristet gewesen - von Ende November 2022 bis Anfang Juli 2023.
Ökostromerzeuger konnten in der Zeit deutlich höhere Gewinne erzielen. Aus Anlagen erneuerbarer Energien wurden nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 200 Millionen Euro abgeschöpft. Insgesamt waren es mindestens 750 Millionen Euro, die finalen Zahlen dürften aber wohl bei rund 850 Millionen liegen, so die Bonner Behörde.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, insgesamt seien im Rahmen der Strompreisbremse rund zwölf Milliarden Euro ausgezahlt worden. "So konnten wir effektiv vor weiteren Preisanstiegen schützen." Die Entscheidung aus Karlsruhe sei entsprechend eine gute Nachricht. Ein Sprecher des Ministeriums ergänzte, das Urteil schaffe Rechtssicherheit.
Die Ökostromerzeuger hatten argumentiert, dass die Finanzierung der Strompreisbremse aus Steuermitteln hätte erfolgen müssen, weil es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handele. Die Überschussabschöpfung verletze somit ihre Eigentumsgarantie. Die Lichtblick Solarpark Calbe GmbH - einer der Kläger - teilte mit, sich ein anderes Urteil gewünscht zu haben. Nun gebe es aber zumindest Klarheit.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer betonte, solche Eingriffe müssten unterbleiben. Es brauche einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. "Das ist auch eine Lehre aus der Energiepreiskrise. Betreiber von Kraftwerken und erneuerbaren Energien benötigen zudem die Sicherheit, dass die Politik nicht nachträglich durch Eingriffe Investitionen entwertet."
Die Linke kritisierte, dass sich die FDP innerhalb der Ampel damals monatelang gegen die Maßnahme gesträubt habe. "Übergewinnsteuern sind rechtens! Für die nächste Krise kann und muss man dieses Instrument also beherzt nutzen", forderte Linken-Politiker Christian Görke.
(Bericht von Ursula Knapp und Christian Krämer, redigiert von Thomas Seythal und Christian Rüttger)