IG Metall erhöht den Druck: Warnstreiks bei Volkswagen am Montag
Der Konflikt um Lohnkürzungen, Werkschließungen und Personalabbau bei Volkswagen verschärft sich. Am Montag geht die IG Metall mit flächendeckenden Warnstreiks gegen die Sparpläne bei Europas größtem Autobauer vor.
In allen Werken werde die Produktion "temporär auf Eis liegen", kündigte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger an. Details nannte er zunächst nicht. Gröger sprach aber von "Warnstreiks, die das Unternehmen nicht übersehen kann".
Mit dem Ausstand will die Gewerkschaft in dem Streit um milliardenschwere Einschnitte den Druck erhöhen. "Wir wünschen uns diesen Konflikt nicht - aber wir führen ihn, solange der Vorstand nur auf Kürzungen und Entlassungen statt auf Perspektiven setzt", sagte Gröger. "Wenn nötig, wird das einer der härtesten Konflikte, den Volkswagen je gesehen hat."
"Der Frust in der Belegschaft ist groß"
Mit Aktionen in Wolfsburg und Zwickau hatte die IG Metall zuvor das Ende der Friedenspflicht bei Volkswagen begangen und die heiße Warnstreikphase eingeläutet. Die Friedenspflicht, in der Streiks nicht erlaubt sind, war in der Nacht zu Sonntag abgelaufen.
"Der Frust in der Belegschaft ist groß", sagte Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo. Mit der Möglichkeit für Warnstreiks gebe es nun ein Ventil, "um Dampf abzulassen". Sie rechne daher mit großem Zuspruch zu den jetzt anstehenden Aktionen.
Zu möglichen Ausfällen in der Produktion machte Volkswagen zunächst keine Angaben. Man wolle die Auswirkungen so gering wie möglich halten, sagte ein Sprecher. Deswegen habe das Unternehmen gezielt Maßnahmen ergriffen, die eine Notversorgung sicherstellten.
Volkswagen respektiere das Recht der Beschäftigten, an einem Warnstreik teilzunehmen. Das Unternehmen setze weiterhin auf den konstruktiven Dialog mit der Arbeitnehmerseite, um eine nachhaltige und gemeinsam getragene Lösung zu erreichen.
Konzern fordert zehn Prozent Lohnkürzung
In dem Konflikt geht es um die Bezahlung der rund 120.000 Beschäftigten in den Werken der Volkswagen AG, wo ein eigener Haustarif gilt. Hinzu kommen mehr als 10.000 Mitarbeiter bei VW Sachsen, für die 2021 eine Angleichung an den Haustarif vereinbart wurde.
VW lehnt bisher jede Erhöhung ab und fordert stattdessen zehn Prozent Lohnkürzung. Auch Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen stehen im Raum. Die Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen seit mehr als 30 Jahren ausschloss, wurde aufgekündigt. Ab Juli 2025 wären damit auch Kündigungen möglich.
Laut Betriebsrat sind mindestens drei Werke und Zehntausende Arbeitsplätze bedroht. VW begründete die Einschnitte mit hohen Kosten und einer schwachen Auslastung. Angesichts der schwachen Nachfrage müsse VW seine Sparbemühungen noch einmal verstärken. Laut Betriebsrat geht es um rund fünf Milliarden Euro, die der Konzern zusätzlich einsparen will.
Zukunftsplan der IG Metall abgelehnt
Am Freitag hatte Volkswagen die Vorschläge von IG Metall und Betriebsrat zur Kostenentlastung zurückgewiesen. Damit gieße der Vorstand Öl ins Feuer, sagte Cavallo. Gröger sprach von "offenen Benzinfässern", die der Vorstand ins Feuer werfe. "Das werden wir uns nicht gefallen lassen."
Mit dem eigenen Konzept wollen IG Metall und Betriebsrat Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verhindern. Beides hatte Cavallo zuvor als rote Linien bezeichnet. Die IG Metall fordert ein Zukunftskonzept für alle Standorte.
IG Metall und Betriebsrat hatten angeboten, eine mögliche Tariferhöhung vorerst nicht auszuzahlen und stattdessen in einen Zukunftsfonds für flexible Arbeitszeitverkürzungen einzubringen. Dem Konzern stellten sie dabei eine Kostenentlastung von 1,5 Milliarden Euro in Aussicht. Im Gegenzug sollte VW auf Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Volkswagen hielt dagegen, der Vorschlag bringe keine nachhaltige Entlastung.
VW hält an Werksschließungen fest
Markenchef Thomas Schäfer hatte in einem Interview den Sparkurs bekräftigt: "Wir müssen unsere Kapazitäten verringern und an die neuen Realitäten anpassen." Dazu gehörten neben den Fahrzeugwerken auch die Komponentenstandorte. Auf die Frage, ob VW auf eine Werkschließung verzichten könne, sagte Schäfer: "Wir sehen das aktuell nicht."
VW hatte zuvor erklärt, dass dem Konzern aufgrund der schwachen Nachfrage in Europa rund 500.000 Fahrzeuge fehlten, um alle Werke auszulasten. Das entspreche der Kapazität von zwei Standorten.
Als gefährdet gelten vor allem die Fabriken in Dresden und Osnabrück. Laut "Handelsblatt" hat VW zudem eine Schließung des Werks in Emden durchgerechnet. Dem Bericht zufolge würde das 600 Millionen Euro an Einsparungen bringen. Entschieden sei aber noch nichts, hieß es. VW selbst macht bisher keine Angaben zu konkreten Standorten.
Nächste Tarifrunde am 9. Dezember
Am 9. Dezember sollen die Tarifverhandlungen fortgesetzt werden. Am Mittwoch wird Konzernchef Oliver Blume auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg vor die Belegschaft treten. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird dann als Gastredner erwartet.
Mehr als 50.000 bei Warnstreikwelle 2018
Warnstreiks an einzelnen Standorten hatte es bei VW zuletzt in der Haustarifrunde 2021 gegeben. Flächendeckende Aktionen an allen sechs großen Werken in Westdeutschland gab es zuletzt 2018. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich damals mehr als 50.000 Beschäftigte in Wolfsburg, Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig und Salzgitter. Für die Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden wurde erst 2021 eine stufenweise Angleichung an den Haustarif bis 2027 vereinbart.
Nicht unter den Haustarif fällt das VW-Werk in Osnabrück. Dort war es bereits bei der Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie zu Warnstreiks gekommen.