S&P: Regierungssturz lässt Frankreich ohne klaren Weg zum Defizitabbau zurück

Paris (Reuters) - Der Sturz der französischen Regierung lässt das Land der Ratingagentur S&P zufolge ohne einen klaren Pfad zur Reduzierung des Staatsdefizits zurück.
Erwartbar sei nun "eine deutlich geringere Haushaltskonsolidierung", teilten die Bonitätswächter am Donnerstag mit. Das wahrscheinlichste Szenario sei die Verabschiedung eines Notstandsgesetzes. Dieses übertrage die Ausgabenbeschränkungen und Steuerbestimmungen von 2024 auf 2025, bis ein dauerhafter Jahresetat verabschiedet werden kann.
Die konkurrierende Ratingagentur Moody's hatte zuvor erklärt, dass sich ein Zusammenbruch der französischen Regierung negativ auf die Kreditwürdigkeit des Landes auswirke und das Risiko einer größeren Schuldenlast erhöhe. Moody's hatte im Oktober sein AA2-Rating für französische Staatsschulden mit einem negativen Ausblick versehen - die Vorstufe einer Herabstufung. S&P bewertet die Bonität mit AA-. Beide Ratingagenturen signalisieren Investoren damit ein geringes Ausfallrisiko beim Kauf französischer Staatsanleihen. Deutsche Papiere werden allerdings mit der Bestnote AAA bewertet. Der französische Staat muss Anleger daher mit höheren Zinsen ködern.
Die Lücke zwischen französischen und deutschen Renditen für zehnjährige Staatsanleihen - ein Maß für die Risikoprämie, die Anleger verlangen – sank am Donnerstag leicht auf rund 0,81 Prozentpunkte. Am Montag erreichte sie mit 0,90 Punkten den höchsten Abstand seit der Euro-Schuldenkrise 2012.
Am Mittwochabend wurde die Regierung von Ministerpräsident Michel Barnier durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Hintergrund waren Barniers Sparpläne im Haushalt für das nächste Jahr, die vom linken und rechten Lager im Parlament abgelehnt wurden. Barnier wollte das Staatsdefizit von 6,1 auf 5,0 Prozent kürzen. Die europäischen Schuldenregeln sehen eigentlich eine Obergrenze von drei Prozent vor.
Die Verbindlichkeiten des Staates entsprechen 112 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum Vergleich: Die EU-Regeln sehen hier eine Obergrenze von 60 Prozent vor. Der Staat hat viel Geld in die Hand genommen für den Kampf gegen die auch wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Zudem bleiben die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurück. Die Schuldenstandsquote dürfte nach Prognose der EU-Kommission weiter steigen, und zwar auf mehr als 115 Prozent im kommenden Jahr und gut 117 Prozent 2026.