Ifo-Index fällt - "Schwäche der Wirtschaft chronisch geworden"

- von Klaus Lauer und René Wagner -
Berlin, 17. Dez (Reuters) - Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist zum Jahreswechsel so schlecht wie seit der Corona-Krise nicht mehr.
Damit kann die künftige Bundesregierung kaum mit Rückenwind von der Konjunktur rechnen. Wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte, sank der Geschäftsklimaindex im Dezember überraschend stark auf 84,7 Zähler von 85,6 Punkten im Vormonat. Dies war der sechste Rückgang innerhalb von sieben Monaten. "Die Schwäche der deutschen Wirtschaft ist chronisch geworden", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Das wichtigste Barometer für die Konjunktur in Deutschland liegt damit auf dem tiefsten Stand seit Mai 2020 - als die Pandemie zu einer schweren Rezession führte.
Die Firmen beurteilten ihre Lage weniger skeptisch als zuletzt, ihre Aussichten für die kommenden Monate aber spürbar pessimistischer. Vor allem die angeschlagene Industrie gerät weiter ins Taumeln. "Es gibt in der Industrie keinen Lichtblick", sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. "Ihre Krise hat sich verschärft." Egal ob Autobauer, Elektrotechnik oder Metallbranche - die Misere ziehe sich mittlerweile durch alle Bereiche.
"Die exportabhängige Industrie profitiert derzeit nicht vom Aufschwung anderer Länder wie den USA oder einiger Euro-Staaten", sagte Wohlrabe. Das signalisiere eine strukturelle Krise. "Die Schwäche in der Industrie strahlt auch auf die Branchen ab, die an ihr hängen." Dies gelte für den Großhandel sowie die Transport- und Logistikbranche. "Die Bescherung für die deutsche Wirtschaft fällt dieses Jahr aus."
"ENDZEITSTIMMUNG"
"Das ist eine kalte Dusche zum Jahresende", sagte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer zu den Ifo-Daten. "Die Probleme kommen vor allem aus der Industrie, die unter einer tiefgreifenden Strukturkrise leidet, wenn man etwa an die Autobauer und ihre Zulieferer denkt." Deshalb dürfte der Schub von den fallenden Zinsen der Europäischen Zentralbank kaum positiv auf das Bruttoinlandsprodukt durchschlagen.
"Bestürzend ist, dass die Unternehmen kaum Hoffnung auf künftig wieder bessere Geschäfte haben", sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. "Alles in allem macht sich eine gewisse Endzeitstimmung weiter breit." Die To-do-Liste für eine neue Bundesregierung sei lang. "Es bleibt zu hoffen, dass Wachstumsprioritäten von dieser schnell gesetzt werden."
Börsenprofis schauen derweil etwas weniger pessimistisch auf die Konjunktur. Das Barometer für die Aussichten in den kommenden sechs Monaten stieg im Dezember überraschend um 8,3 Punkte auf 15,7 Zähler, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu seiner Umfrage unter 160 Analystinnen und Analysten mitteilte. Ökonomen hatten mit einem Rückgang auf 6,5 Punkte gerechnet.
Das Barometer für die aktuelle Lage sank allerdings erneut, und zwar um 1,7 Punkte auf minus 93,1 Zähler. "Die vorgezogenen Neuwahlen in Deutschland mit der damit einhergehenden Erwartung auf eine investitionsfreundliche Wirtschaftspolitik sowie die Aussicht auf weitere Zinssenkungen sorgen für einen verbesserten wirtschaftlichen Ausblick", erklärte ZEW-Chef Achim Wambach.
AM RANDE DER REZESSION
Die Stimmung in der Industrie und bei den Dienstleistern trübte sich ein, wie das Ifo-Institut ermittelte. Im Bauhauptgewerbe verbesserte sich das Geschäftsklima zwar, weil die Firmen insbesondere ihre aktuelle Lage etwas positiver bewerteten. "Die Erwartungen verschlechterten sich jedoch", betonte Fuest.
Die Wirtschaft wuchs im Sommerquartal um 0,1 Prozent und dümpelt damit immer noch am Rande einer Rezession. Auch für das Jahresende zeichnet sich kein deutlicher Aufschwung ab. "Es könnte zu einem Mini-Plus von 0,1 Prozent reichen", sagte Ifo-Experte Wohlrabe zum vierten Quartal. Mit dem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl dürfte der Gegenwind für die Wirtschaft zunehmen. Trump hat im Wahlkampf angekündigt, Strafzölle auf Importe aus Europa zu erheben und dürfte die USA weiter abschotten. Exporteuropameister Deutschland würde darunter besonders leiden.
Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen für 2025 jüngst deutlich gesenkt. Das Kieler IfW traut der deutschen Wirtschaft 2025 nur eine Stagnation zu, das DIW allenfalls ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent.
(Redigiert von Thomas Seythal)