Raiffeisen Bank droht im Streit mit Russland Milliarden-Zahlung
Wien (Reuters) - Der österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI) droht in Russland mit dem anstehenden Urteil in einem milliardenschweren Rechtsstreit ein finanzieller Schlag.
Am 25. Dezember - im orthodoxen Russland kein Feiertag - steht in Kaliningrad der nächste Gerichtstermin in dem Konflikt an. Die russische Investmentholding Rasperia fordert Schadenersatz von 1,9 Milliarden Euro. Betroffen sind der Wiener Baukonzern Strabag, dessen österreichische Kernaktionäre sowie die russische RBI-Tochter. Sollte die Klage Erfolg haben, dürfte dies die Bilanz der russischen Tochter erheblich belasten und damit auch Auswirkungen auf die konsolidierte Konzernbilanz der RBI haben, da entsprechende Rückstellungen erforderlich wären.
Ob das Gericht an diesem Tag tatsächlich ein Urteil fällt oder erst später, bleibt abzuwarten. Im Bericht zum dritten Quartal erklärte die RBI, dass, sollte die Klage erfolgreich sein, dies "erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Bilanz" hätte. Dennoch wurden im Berichtszeitraum keine Rückstellungen gebildet, da die Schadenshöhe schwer abzuschätzen sei, hieß es. Die Bank plant, gegen ein negatives Urteil juristisch vorzugehen, was eine Zahlung verzögern würde.
Die RBI steht unter Druck der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Sanktionsbehörde, ihre Russland-Aktivitäten zu reduzieren. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine wurden Rückzugsoptionen geprüft, bislang ohne Erfolg. Zuletzt stellte RBI-Chef Johann Strobl einen Mehrheitsverkauf in Aussicht. Derzeit sind der Bank allerdings die Hände gebunden, weil das russische Gericht einen Verkauf der Tochter untersagt.
RUSSISCHE RBI-TOCHTER ALS DRUCKMITTEL
Die RBI ist nach eigenen Angaben nicht direkt in den Prozess involviert, ihr wird auch kein Fehlverhalten vorgeworfen. Die russische Tochter dürfte jedoch als Druckmittel in dem Verfahren eine Rolle spielen. Der Kern des Streits: Rasperia, die lange Zeit dem sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska zugerechnet wurde, wirft Strabag und deren Kernaktionären vor, dass ihre Anteile an dem Baukonzern durch die Sanktionen wertlos geworden seien. Rasperia hält 24,1 Prozent an der Strabag, nachdem sie durch eine Kapitalerhöhung unter die Sperrminorität verwässert wurde. Die russische RBI-Tochter wird in der Klage als mit den anderen Beklagten verbunden erwähnt, obwohl die Bank selbst keine Anteile an Strabag hält. Diese liegen bei einem der RBI-Kernaktionäre, der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien.
GEWINNE IN RUSSLAND EINGEFROREN
Die RBI ist seit mehr als 30 Jahren in Russland tätig und zählt neben der italienischen UniCredit als größte westliche Bank in dem Land. Im Frühjahr musste das Finanzinstitut einen Plan aufgeben, über eine komplexe Transaktion Geld aus Russland zu transferieren. Die RBI erwirtschaftete in den ersten neun Monaten 2024 mehr als die Hälfte ihres Konzerngewinns von 2,1 Milliarden Euro in Russland. Aufgrund der Sanktionen kann die RBI nicht auf diese Mittel zugreifen. Einem Insider zufolge sind inzwischen fast sechs Milliarden Euro an Eigenkapital in Russland gebunden.
Konkret wollte die RBI den eingefrorenen Strabag-Anteil in Russland für rund 1,1 Milliarden Euro übernehmen. Welche Rolle Deripaska bei diesem Geschäft gespielt hätte, blieb unklar. Bis heute sind die Eigentümerverhältnisse nicht klar. Laut RBI-Chef Strobl hatte die Bank eine sanktionskonforme Lösung gefunden, musste das Vorhaben jedoch auf Druck des US-Finanzministeriums aufgeben. Einige der beteiligten Firmen wurden daraufhin wegen der mutmaßlichen Umgehung von Sanktionen sanktioniert.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich und John O'Donnell, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)