Brexit: Erste Details durchgedrungen? - Neuer Plan Mays vergebene Liebesmüh?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Morgen möchte die britische Premierministerin ihren Brexit-Plan 2.0 vorstellen. Fast eine Woche hat Theresa May jetzt an dem neuen Werk gefeilt. Sich mit anderen Partei-Spitzen getroffen, um einen Kompromiss-Vorschlag auszuarbeiten. Montag soll jetzt der neue Plan vorgestellt werden. Glaubt man den Medien auf der Insel, dann wird Theresa May mit dem neuen Vorschlag genauso scheitern wie mit dem alten, bereits ausgehandelten Vertrag. Ein Ausweg aus der Krise scheint sich nicht abzuzeichnen.

Zu viele verschiedene Interessen

Mitglieder des Parlaments versuchen, den Austrittsprozess über verschiedene Umwege selbst zu steuern. Handelsminister Liam Fox warf EU-freundlichen Abgeordneten vor, den Brexit „stehlen“ zu wollen. Die Bevölkerung wolle die EU verlassen, aber das Parlament wolle im der Union verbleiben. „Das Parlament hat kein Recht, den Brexit-Prozess zu entführen“, sagte der Unterstützer von Mays Brexit-Deal dem Sender BBC.

Spiel auf Zeit

Nach britischen Medienberichten vom Sonntag arbeiten Abgeordnete verschiedener Parteien daran, die Brexit-Entscheidung hinauszuzögern und einen ungeordneten EU-Austritt ihres Landes zu verhindern. Tory-Hardliner warnten die Premierministerin derweil vor Zugeständnissen an EU-Freunde im Parlament. Eine britisch-irische Lösung für Nordirland hat Berichten zufolge wenig Aussicht auf Erfolg.

Jeder hat so seinen eigenen Plan

Nach Mays Präsentation im Unterhaus will eine parteiübergreifende Gruppe unter der Federführung der Labour-Abgeordneten Yvette Cooper und des Konservativen Nick Boles einen Änderungsantrag für weitere Verhandlungen mit der EU einbringen, sollte das Parlament Mays neuen Vorschlag am 29. Januar ablehnen. Damit wollen die „Rebellen“ den Brexit hinauszögern und einen ungeordneten EU-Austritt verhindern.

Einfach Artikel 50 des EU-Vertrages aushebeln

Der Konservative Dominic Grieve will nach Informationen der britischen „Times“ mit einem weiteren Antrag dafür sorgen, dass Artikel 50 des EU-Vertrages zeitweise ausgesetzt wird – ebenfalls um Zeit zu gewinnen. Der Artikel regelt den Austritt eines Landes aus der Union. Wie diese Aussetzung erfolgen soll, wurde aus dem Text allerdings nicht deutlich.

Regierung not amused

In der Downing Street 10 – Mays Amtssitz – ist man über die Pläne der Anti-Brexit-Rebellen offensichtlich wenig erfreut. „Jeglicher Versuch, der Regierung die Macht zu entziehen, zu diesem historisch bedeutenden Zeitpunkt die rechtlichen Bedingungen für einen geordneten Austritt aus der EU zu erfüllen, ist in höchstem Maße Besorgnis erregend“, zitierte die BBC am Sonntag aus Regierungskreisen. Es bestehe die Gefahr, dass das Parlament einen Brexit stoppen könnte. Was die Aktien-Märkte am wenigsten stören würde.

Labour bleibt ihrem Kurs treu

Die Labour-Partei hält an ihrer Forderung nach Neuwahlen fest, ist aber offen für Alternativen, wie der Brexit-Minister im Schattenkabinett, Keir Starmer, am Samstag sagte. Seine Partei müsse sich aber auch die Möglichkeit eines zweiten Referendums offen halten, sagte Starmer. Dieser Plan war bereits nach dem gescheiterten Misstrauensvotum gegen May bekannt geworden. Die Labour-Partei strebt einen „sanften“ Brexit an, ähnlich wie das norwegische Modell. Die Pläne der Opposition beinhalten das Großbritannien in der europäischen Zollunion und dem Binnenmarkt verbleibt. Zunächst wollte sie das Ziel über Neuwahlen erreichen. Jetzt strebt die Partie wohl ein zweites Referendum an. Das Thema Neuwahlen ist aber auch noch nicht ganz vom Tisch.

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Notfallpläne werden diskutiert

In Großbritannien erscheint die Möglichkeit eines Gangs an die Wahlurnen nicht ganz abwegig. Drei Mitglieder von Mays Kabinett hatten der „Financial Times“ (Freitag) gesagt, dass eine Neuwahl denkbar sei. Regierungsmitarbeitern zufolge wurden in der vergangenen Woche Notfallpläne dafür diskutiert.

Labour würde neuer Urnengang wohl nichts bringen

Ob eine Neuwahl der Labour-Partei nützen würde, ist unklar. Laut einer unveröffentlichten Umfrage einer EU-freundlichen Lobby-Gruppe, die dem „Guardian“ zugespielt wurde, würde Labour etwa mit einer klaren Parteinahme für einen Verbleib Großbritanniens in der EU keine Wähler hinzugewinnen.

May sollte erstmal im eigenen Stall für Ordnung sorgen

Der Tory-Hardliner und May-Kritiker Jacob Rees-Mogg drängte in der Boulevardzeitung „Daily Mail“ am Sonntag die Premierministerin, erst einmal ihre eigene Partei hinter sich zu bringen. Dazu müsse sie weitere Konzessionen von der EU bekommen, vor allem zu den Austrittskosten sowie zu Nordirland. „So attraktiv es scheinen mag, europafreundlichen Labour-Abgeordneten die Hand reichen zu wollen, Frau May kann nur ins Ziel kommen, wenn sie die Tory-Rebellen für sich gewinnt“, so Rees-Mogg.

Erste Details schon bekannt?

Mays Konzept soll laut „Times“ unter anderem Pläne für einen Vertrag Großbritanniens mit Irland enthalten, um das Problem einer neuen Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden. Ein solcher Vertrag soll ebenso Tory-Harliner wie die nordirische DUP überzeugen, deren Abgeordnete Mays Regierung im Parlament unterstützen. Wie dieser Vertrag mit EU-Recht vereinbar sein soll, wurde nicht gesagt. Irische Regierungskreise sagten der „Times“, ein bilateraler Vertrag sei „nichts, das wir in Erwägung ziehen würden“. Sollte May also tatsächlich diesen Plan verfolgen, dann ist er bereits vor der Veröffentlichung wohl schon gescheitert.

May keinen Schritt weiter

Auch nach der Abstimmung über den Brexit-Deal scheinen die Politiker auf der Insel nicht genau zu wissen, was sie wirklich wollen. Parteiübergreifend scheinen sich Gruppen zu bilden, die meinen den richtigen Weg gefunden zu haben. Problematisch ist dabei nur, dass es zu viele Gruppen mit zu vielen Plänen sind. Die Politiker scheinen immer noch nicht verinnerlicht zu haben, dass ein Kompromiss gefunden werden muss, dass wirklich jeder auf den anderen zugehen muss. Das britische Unterhaus scheint genauso gespalten wie die Bevölkerung. Etwa 50 Prozent wollen raus aus der EU und die anderen 50 wollen in der Europäischen Union bleiben. Unterm Strich eine Patt-Situation, die von allen Seiten ausgekostet wird.

Vielleicht sollten alle Beteiligten mal Asterix-Band 25 - „Der große Graben“ aus dem Jahr 1980 lesen. Brexit-Beführworter ziehen auf die eine Seite Großbritanniens – Brexit-Gegner auf die andere Seite. Am Ende gibt es dann trotzdem ein Happy End. So sehen es zumindest die Märkte noch. Sollte May am 29. Januar mit ihrem zweiten Anlauf allerdings auch wieder scheitern, dann könnte die Nervosität schnell zunehmen.

Von Markus Weingran / dpa-AFX

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Bild: A.Basler / Shutterstock.com

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