Die geheimen Tricks der Goldhändler
Nicht nur die Vorweihnachtszeit lädt jetzt zum Goldkauf ein, sondern auch der niedrige Goldkurs. Zum Jahresbeginn stand der Goldpreis noch bei mehr als 1350 Euro je Feinunze. Seitdem ging es um 25 Prozent bergab. Viele Kenner des Goldmarktes glauben zudem an eine Renaissance des Edelmetalls unter Anlegern. Demnach ist es durchaus möglich, dass der Goldpreis in den kommenden Monaten wieder deutlich anzieht. Andererseits verkaufen viele Investoren ihr Gold, weil sie sich entweder mit Immobilien sicherer fühlen oder mit Aktien auf mehr Rendite hoffen.
Für Freunde von Gold war der vergangene Mittwoch ein spannender Tag. Zunächst kündigte die britische Finanzaufsicht an, auch den Referenzpreis für das gelbe Edelmetall einer Prüfung wegen möglicher Manipulation zu unterziehen. Zu allem Überdruss sorgten auch die Konsumdaten aus den USA für Unruhe am Goldmarkt.
Der größte börsengehandelte Goldfonds SPDR Gold Trust stand auf der Verkaufsliste, deren Goldbestand sank auf das niedrigste Niveau seit Februar 2009. Der Goldpreis sank daraufhin im Tagesverlauf von 939,60 Euro auf weniger als 930 Euro – ziemlich viel für wenige Stunden. Zum Ende des Handelstages stand er dann nur noch bei 923,52 Euro je Feinunze – ein Minus von 1,8 Prozent. Sein Jahrestief erreichte Gold zuletzt im Sommer mit 908 Euro.
Vermutlich wäre ein anderer Tag für den Verkauf von Gold günstiger gewesen. Aber ich will den Goldhändler-Test machen und die Preise vergleichen. Mit einem goldenen Ring am Finger mache ich mich auf, um herauszufinden, wie viel das Schmuckstück einbringt, wenn ich es verkaufe. Weit muss ich dafür nicht, denn nur fünf Gehminuten vom Arbeitsplatz entfernt finden sich gleich ein knappes Dutzend potenzielle Abnehmer für den Ring.
Der Markt in Deutschland ist auf der Ankaufseite sehr stark fragmentiert. Wolfgang Wrzesniok-Roßbach, Geschäftsführer bei Degussa Goldhandel, dem größten Goldhändler in Deutschland, geht von tausenden Goldankäufern im Bundesgebiet aus. „Wir schätzen, dass in diesem Jahr etwa 90 Tonnen Feingold zurück in den Kreislauf kommen – und dass dafür von den Goldhändlern grob geschätzt das Doppelte an Material angekauft wurde“, sagt Wrzesniok-Roßbach.
Das kleinteilige Geschäft mit Schmuck, Zahngold, Münzen und kleinen Barren macht sich für die Ladenbesitzer offenbar bezahlt. „Ich gehe davon aus, dass viele Goldankaufstellen auch als Nebentätigkeit betrieben werden.“ Ein halbes Kilo Gold im Monat sollte dann schon ausreichen, um davon zu leben.
Für den, der Gold verkaufen will, heißt das aber auch: unbedingt vergleichen. Wer etwa alten Goldschmuck zu Geld machen will, sollte lieber genau hinschauen, denn die gezahlten Preise können erheblich auseinanderklaffen.
Weil ich im Internet gelesen habe, dass sie die höchsten Preise zahlen sollen, ist meine erste Anlaufstelle eine sogenannte Scheideanstalt. Sie kaufen Goldschmuck und anderes edelmetallhaltiges Material an und schmelzen es ein. Beim anschließenden chemischen Scheideprozess gewinnen sie reines 999er Feingold und trennen es von anderen Edelmetallen wie Platin, Palladium oder Silber. Anschließend verkaufen sie es wieder in Form von Barren oder als Granulat – Granalien genannt - an Edelmetallhändler, Goldschmiede, Industrie und Anleger.
Besuch bei der Scheideanstalt
Die Rheinische Scheideanstalt in Düsseldorf ist vergleichsweise klein, verarbeitet also geringe Edelmetallmengen. Dennoch gibt es starke Sicherheitsvorkehrungen. Massive Gitterstäbe schützen Einfahrt und Fenster. Beim Betreten der Räume habe ich zwar zunächst den Eindruck, mich in einer normalen Wohnung zu befinden, doch gibt es überall Überwachungskameras. Die Dame hinter dem Schalter wird durch dickes Glas geschützt, die Türen sind versperrt und massiv.
Ein junger Mann bittet mich, vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. 9,12 Gramm zeigt die Digitalwaage an, als er den Ring darauf legt. Da es sich um 585er Gold handelt, - der Feingoldanteil also bei 58,5 Prozent liegt – berechnet er 5,3 Gramm zu einem Börsenkurs von 29,96 Euro. Genaugenommen müssten es 5,35 Gramm sein, aber Nachkommastellen spielen offenbar keine allzu große Rolle. Abzüglich seiner Händlermarge, die er mit drei Euro pro Gramm angibt, bietet er mir insgesamt 145 Euro für den Goldring. Einen Echtheitstest führt der Mann von der Scheideanstalt noch nicht durch. 145 Euro erscheint mir recht wenig, schließlich hat der Ring vor zehn Jahren mehr als 500 Euro gekostet.
Der Goldhändler in Düsseldorf, den ich als nächsten aufsuche, betreibt in Nordrhein-Westfalen gleich acht Filialen. Im Schaufenster liegt ein wenig Goldschmuck, die Tür hat eine Klingel und zahllose Aufkleber, die auf die Videoüberwachung hinweisen. Der Laden ist winzig, lediglich ein Raum von vielleicht zehn Quadratmetern. Neben- oder Warteräume gibt es offenbar nicht. Eine schick gekleidete Dame mittleren Alters öffnet die Tür und bittet mich, zehn Minuten zu warten, sie habe noch einen Kunden im Geschäft. Als ich zehn Minuten später auf den antiken Stühlen Platz nehme, sagt sie, es sei ein aufregender Tag – mit vielen, ganz unterschiedlichen Kunden.
Der Goldring kommt auf die Waage: wieder 9,12 Gramm. Die Dame reibt den Ring an einer Schieferplatte und bestreicht den Abrieb mit einer Säure. Damit prüft sie die Echtheit des Goldes, die Säure darf den Abstrich nicht auflösen. Mit dem Taschenrechner berechnet sie den Goldgehalt: 5,3 Gramm. Der Börsenkurs steht jetzt bei 29 Euro für ein Gramm 999er Feingold, also einen Reinheitsgrad von 24 Karat. Für meinen 585er Ring (14 Karat) bietet sie mir 138 Euro an. Auf den Börsenpreis berechnet sie somit einen Abschlag von drei Euro, also rund zehn Prozent wie schon in der Scheideanstalt.
Am nächsten Tag nehme ich drei weitere Anlaufstellen ins Visier. In der vergangenen Nacht ist der Goldpreis weiter gefallen, heute stehen die Zeichen immerhin auf Erholung. Als ich losziehe, schwankt der Preis pro Gramm um die 29,80 Euro, 928 Euro pro Feinunze.
Ernüchternde Abschläge gegenüber dem Goldkurs
Ich versuche mein Glück bei einem Juwelier an Düsseldorfs Königsallee. Ein Plakat im Schaufenster macht darauf aufmerksam, dass hier auch Gold angekauft wird. Eine Sicherheitskraft im Anzug öffnet mir die verschlossene Ladentür. Die Mitarbeiterin hinter dem Tresen sucht mit einer Lupe den Stempel im Ring und fragt mich nach meinen Vorstellungen. Ich sage, mir sei klar, dass ich die 500 Euro, die der Ring mal gekostet hat, sicher nicht wiederbekommen werde. Ohne ihn zu wiegen, sagt sie, ich bekäme vielleicht 115 bis 120 Euro für den Ring. Ich solle ihn lieber wieder einstecken.
Das mache ich und trage ihn zu Pro Aurum, einem der größten Goldhändler in Deutschland, der nur ein paar Gehminuten entfernt eine Filiale betreibt. Dort komme ich ohne Klingel und Sicherheitsmann in das Geschäft. Alles wirkt sehr edel und geschmackvoll, die Mitarbeiter tragen alle Anzug und Krawatte. Der Berater, in dessen Büro ich mich setze, begrüßt mich mit festem Händedruck. Den Echtheitstest mit Schieferplatte und Säure macht er als erstes. Dann erst wird gewogen, wieder stehen 9,12 Gramm auf der Anzeige. Ich bin erstaunt, dass diese Waagen offenbar alle präzise geeicht sind und selbst an der zweiten Stelle nach dem Komma keine Abweichungen zeigen.
Der Berater spricht allerdings nur von neun Gramm brutto und einem Feingoldanteil von fünf Gramm. Den Börsenpreis gibt er auf Nachfrage mit 29 Euro für das Gramm an. Er bietet mir 25,48 Euro pro Gramm, insgesamt 127,80 Euro für den Ring. Gemessen an meinem Börsenkurs ist das ein Abschlag von 4,32 Euro oder 15 Prozent. Außerdem hat der Händler offenbar nur mit 5 Gramm statt mit 5,3 Gramm kalkuliert. Lege ich 5,3 Gramm zugrunde steigen die Abzüge des Händlers gegenüber dem Börsenkurs auf mehr als 19 Prozent. Bislang das schlechteste Angebot, wenn man die grobe Schätzung beim Juwelier ausklammert.
Etwas ernüchtert über die doch deutlichen Abschläge gegenüber dem Goldkurs wage ich einen letzten Versuch beim Pfandleiher. Das Pfandleihaus Exchange nahe am Düsseldorfer Hauptbahnhof beleiht ausschließlich Schmuck, Edelmetallbarren und Münzen sowie hochwertige Uhren. Außerdem kauft das Unternehmen auch Gold an. Ich frage, was ich für Beleihung oder Verkauf des Ringes bekommen würde. Das Ergebnis überrascht: 130 Euro für die Leihe, 135 Euro für den Verkauf. Der Preis ist tatsächlich höher als beim großen etablierten Goldhändler. Angesichts des niedrigen Goldkurses wäre ein Beleihung sogar in doppelter Hinsicht lukrativ: Mehr Bargeld als bei Pro Aurum oder beim Juwelier, dafür aber die Chance, den Ring zurückzunehmen und zu verkaufen, wenn der Goldpreis wieder gestiegen ist. Allerdings ist die Pfandleihe auch mit spürbaren Kosten verbunden. Monatlich fallen 3,50 Gebühren an sowie ein Prozent Zins auf den Darlehensbetrag. Für den Ring wären das insgesamt 4,80 Euro, die monatlich zu zahlen sind. Nach drei Monaten kann der Besitzer des Pfandscheins dann das Pfand wieder auslösen oder die Leihe verlängern.
Achtung beim Online-Handel
Wer Gold kaufen will, hat es ungleich leichter einen fairen Preis zu erzielen. „Deutschland ist im europäischen Vergleich ein ungemein transparenter Markt mit starkem Wettbewerb und einem großen Informationsangebot“, sagt Degussa-Chef Wrzesniok-Roßbach. Etwa 120 Tonnen Feingold werden nach seiner Schätzung in diesem Jahr in Deutschland für Anlagezwecke verkauft. Knapp zwei Drittel davon entfallen auf Barren, der Rest auf Münzen.
Der Preisaufschlag beim Goldkauf, im Fachjargon Aufgeld genannt, fällt hierzulande mit rund zehn Prozent bei kleinsten Mengen und deutlich weniger bei größeren Barren moderat aus. Wettbewerb und Transparenz haben entsprechend dazu geführt, dass die Margen für die Goldverkäufer in Deutschland relativ gering sind. „Zwei Prozent Nettoverdienst ist hier schon viel“, sagt Wrzesniok-Roßbach. Lediglich in Österreich schätzt er die Konkurrenz noch härter ein. „In anderen Märkten Europas dürften die Margen eher doppelt so hoch sein.“
Der Goldkauf ist letztlich Vertrauenssache. Vor allem im Online-Handel wird Gold gegen Vorkasse angeboten. Da sollten sich Käufer auf Qualität, Service und zügige Lieferung verlassen können. Beim Kauf von Gold kommt es daher weniger auf einen Preisvergleich an, solange sich Anleger an etablierte Adressen halten. Denn das sind neben der Handvoll Goldhändler, die über ein Niederlassungsnetz verfügen, vor allem die Banken.
Auch wenn sich einige kleinere Institute aus dem Goldhandel verabschiedet haben, sind sie doch für viele Anleger beim Goldkauf die erste Anlaufstelle. Nachteilig ist aber, dass die Banken in der Regel keine Goldvorräte vorhalten, sondern nach Kundenwunsch bestellen. Größere Goldhändler haben hingegen typische Abnahmemengen immer griffbereit. Eine schnelle und zuverlässige Abwicklung des Geschäfts in jedem Fall unerlässlich.
Skepsis ist vor allem im Online-Handel angebracht. Ungefähr 180 Goldhändler soll es im deutschsprachigen Internet geben. Zwar tummeln sich auch hier längst die etablierten und zuverlässigen Goldhändler wie Degussa, Westgold oder Pro Aurum und viele andere, aber dazwischen tauchen auch immer wieder zweifelhafte Angebote auf, die Kunden mit Niedrigstpreisen abspeisen wollen.
Tests haben gezeigt, dass die Preise durchaus um 20 Prozent und mehr abweichen können. Da Goldmünzen oder Barren nur gegen Vorkasse verschickt werden, sollten Kunden die Anbieter unbedingt auf Vertrauenswürdigkeit prüfen, etwa durch das Lesen von Kundenkommentaren in Internetforen.
Wer sein Gold nicht ganz dringend verkaufen muss, tut gut daran, auf bessere Kurse zu warten. Alten Goldschmuck zunächst zu beleihen und später wieder auszulösen, scheint da eine wirtschaftliche sinnvolle Alternative. Denn dann ließe sich der Schmuck womöglich zu einem höheren Kurs verkaufen.
Wer alten Goldschmuck zu Geld machen will, darf sich nicht der Illusion hingeben, er bekäme mehr als den reinen Materialwert. Dazu bräuchte es auf der Käuferseite schon einen Liebhaber, der an den Schmuckstücken ein besonderes Interesse hat. Die Suche nach so einem Käufer ist allerdings ungleich aufwendiger, als die nach einem der mehreren hundert Goldhändler, die in Deutschlands Innenstädten anzutreffen sind.
Der Ring bleibt erst einmal in meiner Tasche. Lieber verkaufe ich meine alte Stereoanlage und kaufe mir dafür eine Goldmünze. Denn so billig wie jetzt war Gold schon lange nicht mehr.