Die Tricks der Broker
Am Ende gewinnt immer die Bank. So lautet eine alte Erkenntnis. Sie gilt am Roulettetisch, für einige heiße Finanzwetten trifft sie genauso zu. Die Hoffnung auf schnelles Geld bringt immer mehr Deutsche dazu, sich als Daytrader zu versuchen. Vom heimischen Rechner aus wetten sie auf Aktien, den Dollar oder den Goldpreis; sekundenschnell und mit hohem Hebel. Wer weiß, was er tut, kann mit kurzfristigen Spekulationen durchaus verdienen. Doch nur wenigen gelingt das. Wer nicht aufpasst, macht nur seinen Broker reich.
„Der typische Kleinanleger, der ohne Strategie handelt, noch dazu viel zu hohe Positionen eingeht, hat seinen Einsatz oft nach wenigen Wochen verloren“, sagt Torsten Gellert, Deutschlandchef des britischen Brokers FXCM.
Seine Einschätzung deckt sich mit Untersuchungen zum Thema Daytrading. Nach der Studie „The Cross-Section of Speculator Skill Evidence from Day Trading” von Brad M. Barber von der University of California machen langfristig nur 15 Prozent der Daytrader nach Abzug der Transaktionskosten einen Gewinn. Die Studie basiert auf Daten aus Taiwan, wo Daytrading eine Art Volkssport ist.
Beliebt bei Daytradern ist die Spekulation mit Währungen (Forex) oder mit Contracts for Difference (CFD), zu deutsch: Differenzkontrakte. Bei Währungen wird teilweise auf die Veränderung der vierten Stelle hinter dem Komma gesetzt – und das mit teils enormem Hebel und geringem Kapitaleinsatz. Bei CFDs entspricht der Gewinn oder Verlust einer der Differenz zwischen dem Eröffnungs- und dem Schlusspreis der Transaktion. Anleger können sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse verschiedenster Basiswerte setzen, ebenfalls mit hohem Hebel.
Nach Schätzungen liegt die Zahl der Nutzer von Online-Plattformen, die aktiv mit Forex oder CFD spekulieren, bei rund 65.000. Der Handel mit CFDs und Forex ist im Vergleich zu den Aktien- und Terminmärkten wenig reguliert. Verbraucherschützer sind von den Produkten nicht angetan.
Sie glichen eher einem Glücksspiel als einer Geldanlage, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden Württemberg.
Das sehen die Anbieter naturgemäß anders. Sie werben dafür, dass sich Anleger gut vorbereiten, sich eine Strategie zurechtlegen und diese zunächst mit Spielgeld, etwa einem Demo-Konto, testen sollten.
Daneben kommt es entscheidend darauf an, welchen Broker sich der Anleger aussucht. „Mit den Konditionen, die manche Broker bewerben, kann ich mir kaum vorstellen, dass der Broker damit seriös Geld verdient“, sagt Torsten Gellert von FXCM.
Profit auf Kosten der Kunden?
Auf Seiten der Broker gibt es unterschiedliche Geschäftsmodelle. Der sogenannte Market Maker stellt die Handelsplattform bereit und bietet Kurse an. Er ermöglicht, dass Anleger oft schon mit kleinen Beträgen handeln können. Eine Garantie, dass der Kunde immer den aktuellen Marktpreis erhält, gibt es aber nicht. Der Market Maker bestimmt nicht nur die Spielregeln, sondern tritt gleichzeitig als Gegenpartei seiner Kunden auf, sozusagen auf eigene Rechnung und eigenes Risiko. Kritiker sehen darin einen Interessenkonflikt.
Torsten Gellert vermutet, dass manche Anbieter auf Kosten der Kunden verdienen oder sogar aktiv gegen sie handeln. „Die Verluste des Anlegers können seine Gewinne sein“, sagt er.
Der Market Maker entscheidet, zu welchem Preis die Order des Kunden ausgeführt wird, oder ob er bestimmte Geschäfte durch Gegenpositionen absichert. In sehr hektischen Momenten oder bei sehr kurzfristig angelegten Trades kann es vorkommen, dass er keine Zeit hat, zur Absicherung ein Gegengeschäft abzuschließen. Mitunter verzichten die Anbieter aber auch bewusst auf das Absichern – um Kosten zu sparen. „Am größten ist der Profit für einen Market Maker, wenn er sicher sein kann, dass ein Anleger sein Geld nach und nach verspielt“, sagt Gellert. Bei einem solchen Kunden müsse er sich nicht unbedingt absichern.
Branchenkenner berichten, dass sich viele Anbieter ihre Kunden genau anschauen. Sie wüssten aus Erfahrung, wer eine erfolgversprechende Strategie verfolgt und wer mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren wird. Dementsprechend würden die Kunden wie bei einer Rasterfahndung in bestimmte Kategorien eingeteilt, zum Beispiel: Anfänger, Fortgeschrittene und Profis. Bei den Profi-Tradern müsse der Market Maker jedes Geschäft sofort absichern. Die Gefahr wäre zu groß, Verluste einzufahren, wenn der Anleger gewinnt. Anders sehe es bei den Anfängern aus.
Gewinnt der Broker, wenn der Anleger verliert? Niklas Helmreich, Geschäftsleiter von CMC Markets Deutschland und Österreich, ist anderer Meinung. Mit diesem „Gerücht“ sei man des Öfteren konfrontiert. „Diese Aussage widerspricht langfristig jeder Trading- oder Hedgingstrategie. Demnach müsste jeder Market Maker in kürzester Zeit alle seine Kunden verlieren oder selbst zahlungsunfähig werden. CMC Markets gibt es nun seit 1989“, sagt Helmreich.
Auch Rene Diehl, Vorstand von Flatex sowie der Wertpapierhandelsbank Cefdex, sieht keine Interessenkonflikte. Er verweist auf die Risiken, die die Market Maker tragen müssten. „Da der Market Maker eine zukünftige Kursentwicklung nicht vorhersehen kann, geht er durch den Verkauf der CFDs an den Kunden entsprechende Risiken ein. Die Aussage, dass die Verluste des Kunden die Gewinne des Market Makers wären, ist also mehr das Ergebnis einer sehr einseitigen Betrachtungsweise.“
Selbst gezielte Manipulationen sind möglich
An sich ist das nichts Verwerfliches, es gehört zum Geschäft eines Market Makers. „Ein intelligentes Risikomanagement ist der Garant dafür, dass das Unternehmen wirtschaftlich arbeiten kann“ sagt Diehl.
Der Kunde bekommt zunächst nichts davon mit, ob und wie seine Orders abgesichert werden. Ärgerlich wird es für ihn erst dann, wenn seine Order gar nicht ausgeführt wird, oder es zu sogenannten „Requotes“ kommt. Bei einem Requote wird dem Kunden ein anderer Preis als gewünscht angeboten. Entweder weil der Broker in hektischen Marktphasen keine Gegenpartei findet, um einen profitablen Kurs zu stellen. Oder weil er selbst ein Geschäft machen will. Mancher Market Maker könnte der Versuchung erliegen, zu günstigen Kursen bei einer seiner Banken zu kaufen und einen teureren Kurs an seinen Kunden weiterzugeben. Für den Privatanleger kann das nicht nur nervig, sondern zu einer kostspieligen Angelegenheit werden.
Internetforen sind voll mit Beschwerden der Trader. „Ich hatte eben 8 Requotes hintereinander. Das waren rund 20 Punkte im Dax bis die Order endlich angenommen wurde. Das passiert bei diesem Laden andauernd“, klagt der Nutzer „pong“ auf Boersenforum.de. Insbesondere Trader mit einer sehr kurzen Haltedauer fühlen sich durch die Verzögerungen in der Orderausführung benachteiligt. Für sie zählt jede Sekunde. „Die Requotes […]werden langsam nervig und kosten auf Dauer immer mehr Geld“, beschwert sich „Forex“ auf Forextradingforen.de.
Die großen Anbieter beteuern, dass es bei ihnen keine Probleme mit der Ausführung gebe. „Auf unserer NextGeneration Handelsplattform, die wir nunmehr seit mehr als 15 Monaten am Markt haben, sind Requotes absolut unmöglich“, erklärt von Niklas Helmreich, Geschäftsleiter von CMC Markets Deutschland und Österreich. Auch sein Kollege Diehl von Flatex sagt: „Wir führen Orders sofort aus, mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Für den Kunden bedeutet das, dass er immer eine Ausführung zum aktuellen Kurs erhält.“
Neben den seriösen Anbietern soll es auch solche geben, die zu anderen Methoden greifen – wenn ein Kunde zu erfolgreich handelt. Es sei vorgekommen, dass ein Kunde angerufen wurde, um ihm mitzuteilen, dass die Geschäftsbeziehung beendet wird, berichtet ein Kenner. Durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei das abgedeckt.
Selbst gezielte Manipulationen sind theoretisch möglich, etwa das berüchtigte Stop-Fishing. Der Market Maker hat den vollen Einblick in das Orderbuch des Kunden. Er weiß, was und wie viel ein Kunde handelt, und auch wo dieser Marken für den Ausstieg (Stops) gesetzt hat. Ein Beispiel: Würde der Anbieter den Kurs genauso stellen, dass der Stop des Traders ausgelöst wird, könnte er diesen gezielt zum Ausstieg bringen. Bewegt sich der Kurs dann wieder in die Gegenrichtung, hätte der Kunde das Nachsehen.
Ein seriöser Anbieter würde nicht zu solchen Methoden greifen. Wie häufig Stop-Fishing in der Praxis tatsächlich vorkommt, ist umstritten und lässt sich schwer nachweisen. In Internetforen wird immer wieder über das Thema diskutiert. „Selbst weit entfernte Stopps von 130 Punkten werden sekundenschnell abgefischt“, schildert „cfd-Ralf“ seine Erfahrungen auf der Internetseite Broker-Bewertungen.de.Nur Broker, die sich umstellen, haben eine Chance
Nicht immer steckt gleich ein Skandal dahinter, wenn sich ein Daytrader ungerecht behandelt fühlt. Manche sind schnell dabei, die Schuld bei anderen zu suchen, wenn es schlecht läuft. Gerade Anfänger handeln unüberlegt und verspielen ihr Geld leichtfertig. Dennoch lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die falsche Wahl des Brokers dazu führen kann, dass ein Anleger weniger Gewinn oder sogar Verluste macht.
Wer mit CFDs handelt, kommt in der Regel nicht um einen Market Maker herum. Im Handel mit Währungen gibt es noch eine weitere Variante, die STP- oder ECN-Broker (STP steht für Straight Through Processing, ECN für Electronic Communications Network). Sie treten nicht selbst als Dealer auf, sondern leiten die Order nur weiter. Sie werden deshalb auch No-Dealing-Desk genannt.
„Diese Systeme bieten Anlegern die Liquidität wie sie auch am Interbankenmarkt herrschen und wie sie ansonsten nur institutionellen Investoren gewährt werden. Dies ist aber erst ab einer gewissen Größe des Brokers möglich, da dieser Handelsvolumina bündeln kann und damit die Eintrittsschwelle zum Interbankenmarkt erreicht“, sagt Heiko Müller, Geschäftsführer von Alpari. Kleinere Anbieter könnten dies nicht darstellen.
Bei einem ECN/STP-Anbietern hat der Anleger direkten Zugang zum gesamten Markt. Der Vorteil: Bei einem sehr liquiden Markt wie dem Devisenmarkt ist die Differenz zwischen An- und Verkaufspreisen (Spread) gering. Allerdings verlangt der Broker dafür oft zusätzliche Gebühren. Das machen die Market Maker in der Regel nicht. Der Kunde zahlt allein den Spread.
Hellhörig sollten Anleger werden, wenn ein Broker extrem günstige Spreads anbietet. „Wenn einer mit sehr günstigen Spreads Privatanleger umwirbt, hat das meist einen Haken. Oft handelt es sich um Lockangebote, die in der Praxis kaum erhältlich sind“, sagt Müller. Es gibt sogar Fälle, in denen Anbieter mit einem Spread von Null werben. „Da kann etwas nicht stimmen – das ist unmöglich. Diese Anbieter verschwinden dann auch relativ rasch wieder vom Markt“, meint Müller.
Bei der Auswahl des Brokers kommt es auch auf den persönlichen Anlagestil und die Erfahrung an. Gerade wer sehr kurzfristig spekuliert und dabei höhere Summen bewegt, ist bei einem No-Dealing-Desk gut aufgehoben. „Nur die Broker, die vorrangig auf No-Dealing-Desk umstellen, werden im Devisenhandel eine Chance haben“, sagt Müller von Alpari. Er rechnet damit, dass einige Anbieter in den kommenden ein bis zwei Jahren auf dieses Modell umstellen werden. „Wer das nicht leisten kann, wird nicht die gleiche Qualität bei der Ausführung der Order bieten können – und damit letztlich große Schwierigkeiten haben, zu überleben“, vermutet er.
„Bei einem No-Dealing-Desk kommt es nicht zum Interessenkonflikt. Wir haben ein Interesse daran, dass der Kunde erfolgreich handelt – damit er auf Dauer dabei bleibt“, sagt Gellert von FXCM. Seine Firma tritt im Devisenhandel nicht als Dealer auf, bei CFDs allerdings schon.
Ein Market Maker ist nicht per se schlechter – wenn er gewährleisten kann, dass bei der Ausführung der Orders alles glatt läuft. Und noch etwas kann im Streitfall entscheidend sein: Nicht alle Anbieter haben einen Geschäftssitz in Deutschland. Seine Forderungen vor einem zypriotischen Gericht durchzusetzen, dürfte für die meisten keine reizvolle Vorstellung sein.