Die zweifelhafte Transparenz der ING-Diba

HANDELSBLATT · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Wenn es um das Wohl der Verbraucher geht, scheut die ING-Diba keine Kosten und Mühen. Verbraucherzentralen wurden mit Spenden bedacht. Thomas Bieler, ehemaliger Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW, ist jetzt Ressortleiter externe Kommunikation bei der Direktbank. Das ING-Diba-Portal finanzversteher.de soll Verbraucher bei geldwerten Entscheidungen unterstützen.

Die ING-Diba habe „großes Interesse an einem starken Verbraucherschutz, weil er Transparenz schafft und die Entscheidungskompetenz der Verbraucher verbessert“, erklärte Roland Boekhout noch vor drei Jahren, als er eine Spende in Höhe von 500.000 Euro für die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz zusagte. „Das passt ideal zum Geschäftsmodell einer Direktbank. Denn wir sind auf Kunden angewiesen, die gut informiert sind und wissen, was sie tun.“

Das kundenfreundliche Image des Direktanbieters kommt an. Vergangene Woche vermeldete die Direktbank, dass sie mehr als eine Million Girokonten verwalte. Im Jahr 2006 waren es noch 150.000. Viele Banker sehen sich aktuell am Pranger. Die Branche verarbeitet zahlreiche Skandale, muss sich Vorwürfen von Zinsmanipulationen, betrügerischer Falschberatung bis hin zu Beihilfe zum Steuerbetrug stellen. Ist es da nicht gut, dass wenigstens ein Institut im Einsatz für den Kunden ist?

Beim genauen Blick hat das Saubermann-Image der ING-Diba aber Kratzer. Denn nicht alle Projekte dienen ausschließlich dem Wohl der Kunden. Das gilt etwa für das Internetportal Banklupe.de, das die Direktbank unterstützt. Das Portal vergleicht die Konditionen für Bankprodukte, darunter Girokonten, Kredite, Tages- und Festgelder.

Dass das Institut, das auffällig häufig in den Kundenbewertungen vorne liegt, den eigenen Tester bezahlt, finden die Nutzer nur, wenn sie am unteren Ende der Seite auf die Selbstdarstellung des Unternehmens klicken. „Wir unterstützen Banklupe konzeptionell und inhaltlich, weil wir Transparenz zu Produkten, Preisen und Kundenbewertungen im Bankenmarkt fördern möchten“, sagt ING-Diba-Sprecher Thomas Bieler. „Außerdem möchten wir den Wettbewerb im Markt der Vergleichsportale verstärken.“ Dabei verweist die ING-Diba auf transparo.de, das die Versicherer HDI, Huk Coburg und die WGV „als Gegengewicht zu den etablierten Plattformen gestartet haben“.

„Ein Vergleichsportal, das von Banken gesponsert wird, ist aus unserer Sicht inakzeptabel“, sagt Annabel Oelmann, Leiterin Gruppe Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Auch der Förderverein der Verbraucherzentrale NRW erhielt eine Spende der ING-Diba. Oelmann sieht die meisten Vergleiche im Internet kritisch, weil Kunden oft nicht wissen würden, von wem die Portale bezahlt werden. „Viele Kunden fallen auf die Illusion herein, dass solche Vergleiche unabhängig sind“, sagt Oelmann. Die Geldexpertin rät zu Vergleichen der Zeitschrift Finanztest oder zumindest dazu, immer mehrere Testportale zu nutzen.

Sechsstellige Summen für lückenhafte Testergebnisse

Stichproben von Handelsblatt Online über einen Zeitraum von knapp einem Monat zeigen Mängel bei Vergleichen von Banklupe.de, auch wenn die ING-Diba nicht bevorzugt wird. Bei einem Test von Tagesgeld in Höhe von 15.000 Euro listet Banklupe etwa nicht die Angebote der drei günstigsten Anbieter, die etwa im Vergleich der Konkurrenz von der FMH vorne liegen. FMH bestückt die Rechner von Handelsblatt Online. Auch bei Festgeld fehlen zahlreiche günstige Banken. Bei einem Vergleich für eine Summe von 10.000 Euro und einer Laufzeit von zwölf Monaten fehlen die Top-Anbieter, die bei FMH die Plätze zwei bis vier belegt haben. Auch bei einem Vergleich vergangene Woche fehlte die zweitplatzierte Bank in der Banklupe-Wertung.

Unverdrossen werben Marketing-Mitarbeiter der Bank bei Internetseiten für das „Pilotprojekt der ING-Diba“, das von der Bank „2010 ins Leben gerufen wurde“. Laut Impressum betreibt das Hamburger Unternehmen Digital Forward die Vergleichsplattform, für die die Direktbank Kunden akquiriert. Es handelt sich um dabei um eine Unternehmensberatung, die hilft, „die richtigen Kunden am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu passenden Akquisekosten zu gewinnen und weiter zu entwickeln“. Und das „stets nachhaltig und zu geringen Kosten“. Dabei beraten die Marketing-Profis auch für den Internetvertrieb, etwa beim Suchmaschinenmarketing.

Die ING-Diba sieht keine möglichen Interessenkonflikte. „Banklupe ist ein Vergleichsportal und testet keine Produkte“, erklärt der Ex-Verbraucherschützer Bieler. Und: „Marketing heißt auch: Marktplatz. Banklupe ist ein offener und transparenter Marktplatz, warum soll dieser nicht von einer Firma für Marketing betrieben werden?“

Banklupe verweist darauf, das das Portal „unabhängig vom Betreiber einen klar definierten redaktionellen Zweck“ hätte, nämlich Transparenz im Markt herzustellen. Banklupe finanziere sich durch Werbe-Einnahmen und Provisionen. Das Geschäftsmodell von Affiliate-Erlöse nutzen in ähnlicher Form auch Portale wie Check 24 oder Mano-Dienste von FMH. Bei diesem Vertriebsmodell bezahlen Unternehmen für Kunden, die andere Internetseiten ihnen vermitteln.

Ein Brancheninsider, der nicht genannt werden möchte, erklärt, wie dieses System funktioniert. Wenn ein Kunde von einem Testportal zu der Seite der Bank geleitet wird und da ein Finanzprodukt abschließt, zahlt die Bank dafür. „Für einen neuen Tagesgeldkunden werden bei Banken mit hohen Zinsen mindestens zwanzig Euro fällig“, erklärt der Informatiker, „Institute mit niedrigen Sätzen zahlen aktuell bis zu 45 Euro pro Kunde, bei Aktionen auch bis zu 70 Euro“. Ähnliche Erlösmodelle haben fast alle Vergleichsrechner.

Um die nötige Kundschaft anzulocken, beteiligen Vergleichsportale andere Internetseiten an der Werbeerlösen, wenn sie ihre Rechner einbinden. Laut eines Redaktionsleiters bietet Banklupe gut besuchten Seiten von Fernsehsendern, Zeitungen oder Zeitschriften dafür „sechststellige Euro-Beträge“. Kleinere Anbieter, die nicht von Banken gesponsert werden, sollen da nicht mithalten können. Banklupe suchte auch zu Handelsblatt Online Kontakt, allerdings vergeblich. Banklupe und ING-Diba möchten die Summe nicht bestätigen und machen keine Angaben zu Werbeeinahmen und Provisionen.

Handelsblatt Online selber betreibt keine Zins-oder Preisvergleiche. Die Redaktion wählt seine Vergleichsrechner unabhängig und ausschließlich auf Basis einer redaktionellen Qualitätsprüfung aus und achtet darauf, das die Vergleichsunternehmen  nicht von den untersuchten Unternehmen oder Finanzvertrieben gegründet oder betrieben werden. Das unter anderem für die FMH-Finanzberatung, die Zinsvergleiche erstellt und weder Finanzprodukte vertreibt noch von einer Bank ins Leben gerufen wurde.

Viele Internetseiten haben ähnliche Qualitätsstandards. Einbindungen namhafter Pressetitel kann Banklupe bislang nicht vorweisen. Ausnahme: Das Internetportal der Zeitschrift Focus erklärt, dass lediglich der Kreditvergleich „von der Digital forward konditionsmäßig recherchiert wird“ (siehe unten: „Die Statements von Ing-Diba, Banklupe und Focus“). Richtig oder falsch? In der Datenquelle des Tagesgeldvergleichs steht: „Datenquelle: FocusOnline und Banklupe“. Focus erklärt: Die Konditionen werden von der Redaktion überwacht und das Erlösmodell sei marktüblich.

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