Die zweifelhaften Versprechen der Börsenbriefe
Welcher Anleger wünscht sich nicht, was viele Börseninformationsdienste und Börsenbriefe in ihrer Werbung versprechen: „Fünf-Sterne-Aktie mit 20,46 % Dividende", "So werden Sie in fünf Minuten zum Börsenmillionär" oder „Sichern Sie jetzt Ihren Anteil an der Super-Aktie-2013 bevor es andere tun! Vorläufige Gewinn-Schätzung: +135 %".
Was dieser Tage wieder vermehrt im Briefkasten und E-Mail-Postfach landet und Anleger auf zahllosen Finanzseiten im Internet als Anzeige anblinkt, ist meist reißerisch, oft substanzlos und manchmal auch schlicht unseriös. Die versprochenen Anlagetipps lassen den Leser schnell ins Träumen geraten: „3666,67 Euro im Monat mit dem vollautomatisierten Aktien-Gewinn-Programm – damit können Sie aufhören zu arbeiten" oder „Möchten Sie 2000 Euro in 250.303 Euro verwandeln?".
Mit den exklusiven Anlagetipps, der immer als erfahrenen und renommiert gepriesenen Börsenprofis soll das ganz einfach sein. Einfach den Newsletter durch Eintragung der E-Mail-Adresse abonnieren – und los geht’s Richtung Reichtum, versprechen die Anbieter.
Die angebotenen Exklusiv-Informationen für Anleger tragen Titel wie Morriens Schlussgong, Trendbrief, Neuronales Systemtrading, die Aktien-Analyse, Haack-Daily, Fuchs-Briefe, Platow Börse, Wellenreiter, Goldreport und viele mehr. Laut Schätzungen werden in Deutschland rund 1000 Börsenbriefe per Post oder E-Mail vertrieben.
Untern den elektronischen Börsenbriefen sind etliche gratis, oder zumindest die ersten Ausgaben der Börsenbriefe sind noch kostenlos, später muss der Leser das Abonnement bezahlen. In der gedruckten Version - meist sind es vier oder acht Seiten im wöchentlichen Erscheinungsrhythmus – lassen sich einzelne Ausgaben für Preise zwischen fünf und fünfzehn Euro erwerben. Die günstigsten Abos gibt es ab 130 Euro, der wohl bekannteste und weitgehend anerkannte Platow-Brief kostet 154 Euro im Quartal. Einzelne Börsenbriefe verlangen für ein Jahresabo sogar 850 Euro.
Versteckte Risiken
Derart kostspielige Informationen müssen auch einen hohen Nutzwert für den Anleger bieten, mag da mancher Sparer denken. Leider ist der Weg zum großen Vermögen nicht so einfach, wie es in den Schlagzeilen der Dienste klingt. Die Tipps der Börsenbriefe bergen oft sogar hohe Risiken.
Nicht nur, dass Börsenbriefe selbst schon viel Geld verschlingen, auch die scheinbar narrensicheren Investments „mit Gewinngarantie" können herbe Verluste mit sich bringen. Denn – darauf weist auch die Finanzaufsicht Bafin im Zusammenhang mit reißerischen Börsenbriefen hin – hohe Gewinnchancen gehen immer mit hohen Risiken einher. Die Traumrendite gibt es an der Börse nicht ohne die Gefahr von Verlusten.
Besonders bitter wird es für Nutzer von Börsenbriefen jedoch, wenn womöglich auch noch Betrug und Marktmanipulation im Spiel ist. Und das könnte häufiger der Fall sein, als gemeinhin vermutet. 250 Untersuchungen wegen mutmaßlicher Marktmanipulation hat die Bafin 2012 eingeleitet, mehr als je zuvor. Die Masche der Kursmanipulateure gleicht sich der Aufsichtsbehörde zufolge in den meisten Fällen. Ein Unternehmen bringt seine Aktien zunächst in den weitestgehend unregulierten Freiverkehrshandel einer Börse.
Anschließend tauchen massive Kaufempfehlungen für die Aktien des Unternehmens in Börseninformationsdiensten, Telefonkampagnen, Internetforen, E-Mails, Faxen oder Börsenbriefen auf, so dass vermehrt Anleger das Papier kaufen. Den so erzeugten Kursanstieg nutzen die Manipulateure, um die Aktien mit Gewinn zu verkaufen. Endet die Empfehlungskampagne für die Aktie, bricht der Kurs regelmäßig stark ein. Anleger, die auf die Aktientipps hereinfielen, erlitten oftmals hohe Verluste, heißt es in einer Bafin-Mitteilung. Diese Methode, Anlegern mittels Kursmanipulation „das Fell über die Ohren zu ziehen", bezeichnen Handelsexperten daher auch als „Scalping".
Warnung vor Spam-Mails
Weil der Freiverkehr sich immer wieder als Tummelplatz für Kursmanipulateure erwies und der Handel mit etlichen Aktien auffällig war, hat sich die der Börsenbetreiber in Frankfurt, die Deutsche Börse, im vergangenen Jahr dazu durchgerufen, diesen Handelsplatz zu schließen. Aber damit ist das Problem noch nicht beseitigt.
Die BaFin befürchtet nämlich, dass die Manipulateure nach Schließung des First Quotation Boards – so hieß des Freiverkehrs an der der Frankfurter Börse - nun an andere Marktplätze ausweichen. Dafür hat die Bafin offenbar Anhaltspunkte, denen derzeit genauer nachgegangen wird. Daher hat die Finanzaufsicht ihre eindringliche Warnung vor Marktmanipulation durch Börsenbriefe, Angebote am Telefon („Cold Calling") und Spam-Mails erst vor wenigen Wochen erneuert.
Das hier nicht bloß Panikmache am Werk ist, zeigen die Gerichtsverfahren der der vergangenen Jahre. Es gab bereits eine Reihe spektakulärer Urteile gegen die Drahtzieher solch krimineller Machenschaften. Auch in der Szene längst berühmte Tippgeber wie Sascha Opel (Börsenbrief „Rohstoffraketen"), Tobias Bosler („Der Börsendienst") oder Börsencoach und Buchautor Markus Frick („Markus Frick Inside") wurden wegen Kursmanipulation bereits verurteilt. Für viel Aufsehen sorgte zuletzt das Verfahren um Kursmanipulation bei der Aktie De Beira Goldfields vor dem Landgericht Stuttgart.
Drei Angeklagte gaben in dem Verfahren zu, die Aktie des Unternehmens gehalten und später verkauft zu haben, nachdem sie durch Empfehlungen den Kurs in die Höhe getrieben hatten. Im Verfahren wurde offenbar, mit welchen Netzwerken die Manipulateure Aktien zunächst beschaffen, durch eigenen Wertpapierhandel und breit gestreute und aggressiv beworbene Kaufempfehlungen den Kurs erst hochjubelten, um dann mit dem Verkauf auf eigene Rechnung Kasse zu machen. Im Fall De Beira Goldfields sollen die Beschuldigten in den Jahren 2005 und 2006 rund 38 Millionen Euro Gewinn erzielt haben. Das Nachsehen hatten die Anleger, die auf der inzwischen wertlosen Aktie sitzen blieben.
Gerade bei Börsenbriefen, die sich mit exotischen Aktien und Nebenwerten beschäftigen, ist Kursmanipulation immer eine latente Gefahr für Anleger. Denn die Papiere ziehen in der Regel nur wenig Handel auf sich, der Markt für sie ist nicht sonderlich liquide. Da kann eine gut platzierte und aggressiv verbreitete Kaufempfehlung schnell für erhöhte Nachfrage sorgen und so den Kurs in die Höhe treiben. Daher sollten Anleger insbesondere bei Empfehlungen für solche Aktien, insbesondere auch bei nur im Cent-Bereich notierenden Pennystock-Aktien, besonders misstrauisch sein.
Das Problem: Ein Börsenbrief oder Newsletter mit Anlageempfehlungen ist nicht etwas per se Schlechtes, sie spiegeln im Zweifel die Meinung des dahinter stehenden Finanzanalysten oder Autors wider. Zudem sind Börsenbriefe und ihre digitalen Abkömmlinge nicht gesetzlich geregelt. Es gibt lediglich eine Meldepflicht nach Paragraf 34c Wertpapierhandelsgesetz.
Erst im März hatte die Bafin explizit vor Börsenbriefen gewarnt, deren Urheber oder Verlage entweder erst gar nicht identifizierbar waren, oder die für die Bafin nicht erreichbar waren, weil Adressen nicht vorhanden oder nutzlos waren. Die Warnung bezieht sich auf die Börsenbriefe Swiss Money Report, Bull Investor, European Stock Report, Kursraketen24.de, Lombards Investorenbrief, Westhouse Report, Aktienteufel, Bulle & Bär, derhebel.de, derhebelgrowth.de, Hotstock-Depot.com, boersenbrief24.com und Boersenlounge.com.
Merkmale des Betrugs
Darüber hinaus hat die Aufsichtsbehörde in einer Broschüre Tipps für Anleger zusammengefasst, wann diese misstrauisch werden sollten und sich nicht zu einer Investition verleiten lassen sollten. Hellhörig sollten Anleger demnach vor allem sein, wenn eins oder mehrere der folgenden Merkmale auf das beworbene Investment zutrifft: [Hier finden Sie das PDF]
Hellhörig sollten Anleger demnach vor allem sein, wenn eins oder mehrere der folgenden Merkmale auf das beworbene Investment zutrifft:
Kam der Börsenbrief oder die Empfehlung durch einen unerbetenen Anruf, eine Mail oder ein Fax, dessen Urheber unbekannt ist, sollten Anleger misstrauisch sein. Insbesondere wenn der Tippgeber auch noch drängt, die Anlageentscheidung möglichst schnell zu treffen.Werden ungewöhnlich hohe Renditen versprochen? Gewinnchancen, die weit über das Marktübliche hinausgehen, sind ein Hinweis auf unseriöse Angebote sein. Je höher die versprochene Rendite ist, desto höher ist auch das Verlustrisiko. Das gilt auch für Pennystocks, denen gern ungewöhnlich großen Kurspotenzial angedichtet wird, die aber auch besonders anfällig für extreme Kursschwankungen und Kursmanipulation sind.Ist das Produkt, in das investiert werden soll, kompliziert und undurchsichtig? Anleger sollten sich nicht von vermeintlichem Expertenwissen blenden lassen und keinesfalls ein Produkt oder ein Wertpapier kaufen, dass sie nicht begreifen. Dass ein Tipp nur einer kleinen Zahl privilegierter Börsentippleser zugänglich gemacht wird, mag schmeichelhaft klingen, sollte aber kein Argument für ein Investment sein.Investoren sollten sich keinesfalls auf Geldüberweisungen in das Ausland einlassen. Sollten Sie Ihr Geld zurückverlangen, sind die Rechtswege mühsam. Zudem ist die Nachverfolgung von den vermeintlich im Ausland getätigten Investments deutlich erschwert oder sogar unmöglich. Schon viele Anleger hätten so ihr Geld verloren, so die Bafin.Vorsicht vor Investments auf Probe. Anleger sollten sich nicht dazu überreden lassen, zunächst einen kleinen Betrag testhalber zu investieren. In der Regel finden die Anbieter schnell Gründe, warum weitere Zahlungen notwendig sind.Börsenbriefanbietern mit Sitz im Ausland ist grundsätzlich mit Vorsicht zu begegnen. Unseriöse Anbieter täuschen gern ihren Sitz im Ausland vor, um die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zu erschweren. Verbraucher sollten daher den Ursprung und Gerichtssitz des Börsenbriefbetreibers kennen und auch prüfen. Bei Internetseiten sollten auch geprüft werden, ob andere auf die Website verweisen und als seriöse Quelle nennen. Auch Einträge in Internetforen zum Thema Börse können hilfreiche Informationen beinhalten – sind aber auch vor manipulativen Einträgen nicht geschützt.
Zwar nehmen die Fallzahlen zu. Insbesondere das Internet ist der ideale Spielplatz für die Verbreitung unüberprüfbarer Anlegerinformationen. Aber zumindest haben seriöse Anbieter von Börseninformationen im Internet das zunehmende Problem erkannt.
Die Börsenportale Wallstreet:online und Ariva prüfen nach eigenen Angaben die Angebote ihrer Werbekunden auf Seriosität und Anzeichen von möglicher Kursmanipulation und weisen auffällige Kampagnen auch mal zurück. Ein Qualitätsmerkmal ist das jedoch nicht. Vorsicht bei allzu euphorischen Gewinnversprechen ist also weiter notwendig.