Kopieren Sie die Strategien der anderen!
Kaum etwas spaltet die deutsche Gesellschaft so sehr wie der Börsenhandel. Während die einen erst gar kein Depot eröffnen und sich mit den Mini-Zinsen des Sparbuchs begnügen, kaufen die anderen Zertifikate und Investmentfonds, die ihnen zweistellige Renditen versprechen. Das sind natürlich nur die beiden Extrema, aber sie zeigen: Mit allzu einfachen Regeln wie „bloß kein Risiko“ oder „Hauptsache Rendite“ kommen Anleger nicht weit. Doch was tun, wenn man dem Bankberater nicht traut, aber zugleich keine Zeit hat, um sich selbst detailliert mit den Märkten zu beschäftigen?
Im Internet gibt es Trading-Plattformen, die in ihrer Werbung genau dieses Problem aufgreifen. Als Lösung präsentieren Anbieter wie eToro, United Signals und ZuluTrade das sogenannte Copy-Trading oder auch Mirror-Trading. Dabei können sich Anleger an Top Trader, Finanzexperten und Social Gurus dranhängen und ihre Strategien kopieren. Solche Portale ganz ohne eigenes Finanzwissen zu nutzen, kann aber gefährlich sein.
Angesichts der extrem niedrigen Zinsen für Sparprodukte suchen inzwischen auch risikoscheue Anleger nach Alternativen. Handelsblatt Online zeigt in einer wöchentlichen Serie, wie Anleger ihr Finanzwissen erweitern können, wie sie von gemeinschaftlichen Anlagemodellen profitieren und sich vor Bauernfängern schützen.
Mitmachen können Anleger bei den Plattformen teilweise schon mit kleinen Anlagesummen von 50 oder 100 Euro. Außerdem gibt es bei einigen Anbietern Musterdepots, mit denen Anleger erst einmal nur zuschauen können, ohne gleich eigenes Geld einzusetzen. Wer sich tatsächlich finanziell beteiligen will, muss ein Konto bei einem Broker eröffnen – oder sein bestehendes Brokerkonto mit der Plattform verknüpfen. Einige Anbieter stellen eine Vielzahl von Partnerbrokern zur Wahl, andere haben einen eigenen Broker.
Die Signale der ausgewählten Trader werden dann direkt ins Depot des Followers übertragen. Die Käufe und Verkäufe werden proportional umgesetzt. Einfaches Beispiel: Kauft der Trader – oder auch Signalgeber genannt – eine neue Position in Höhe von zwei Prozent seines Depotwertes, geschieht das auch im Depot des Followers.
Follower müssen auch mit Verlusten rechnen
Den Top-Performern folgen, die Weisheit der Masse nutzen, höhere Rendite erzielen, diese Versprechen klingen verlockend. „Wichtig ist aber, dass die Nutzer sich des Risikos bewusst sind“, sagt Monika Müller, Finanzcoach aus Wiesbaden. Denn die Ranglisten der besten Trader basieren auf der Leistung der vergangenen Monate, können jedoch nichts über den künftigen Erfolg aussagen. „Es ist schon mal möglich, dass jemand in kurzer Zeit 80 Prozent Rendite erzielt, aber wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein solches Niveau nicht auf Dauer gehalten werden kann“, sagt Müller. Der Follower muss also auch auf Verluste gefasst sein.
Und dieses finanzielle Risiko trägt er bei manchen Anbietern ganz allein, denn häufig arbeiten die Trader nur mit Demokonten, sie setzen selbst also kein echtes Geld ein. Wer solchen Tradern folgt, sollte besonders kritisch sein, denn zum Teil können sie gleichzeitig mehrere gegensätzliche Strategien ins Rennen schicken. Das einzige Ziel besteht dann darin einen guten Platz in der Rangliste zu bekommen. Mit echtem Können hat das nicht mehr viel zu tun.
Auch über die Kosten der Handelskopien muss sich der Nutzer informieren. Die Portale werben teils damit, dass die Nutzung gratis ist, doch geschenkt gibt es letztlich nichts. Zwar fallen meist keine monatlichen Grundgebühren an, doch die Trader veröffentlichen ihre Aktionen nicht völlig selbstlos. Sie verfolgen damit finanzielle Interessen, ebenso wie die die Betreiber der Plattform und die Broker. Der Kunde bekommt teils nur „marktnahe“ Preise, die Differenz zum Preis, den der Broker am Markt bezahlt, streicht dieser selbst ein. Wie genau die Trader entlohnt werden, ist je nach Plattform sehr unterschiedlich, teils fließt ein Teil der Rendite des Followers auf ihr Konto und teils erhöht sich ihr Profit, wenn sie einen besseren Status erreichen.
Die Qualifikation der Trader, die Vergütungssysteme, die Art und Weise, wie das Trader-Depot kopiert wird – in den Details gibt es große Unterschiede zwischen den Plattformen. Einen Überblick liefert jetzt das Buch „Social Trading simplified“. Hier beschreibt Andreas Braun detailliert die Funktionsweise zahlreicher Plattformen, benennt Chancen und Risiken und gibt einen Ausblick auf anstehende Neuerungen.
Für Anleger, die ins Copy-Trading einsteigen und das Für und Wider der einzelnen Plattformen abwägen wollen, ist das Buch eine große Hilfe. Denn der Autor erklärt genau, nach welchen Prinzipien Anleger ihren Trader auswählen, welche Produkte gehandelt werden können, welche Partnerschaften der Anbieter unterhält, welche Aufsichtsbehörde zuständig ist, was bei der Wahl des Brokers zu beachten ist und wo mögliche Fallstricke und versteckte Kosten lauern. Dabei zieht er stets auch Vergleiche zwischen den Plattformen.
Die größten Anbieter der Szene
Vorgestellt werden im Buch „Social Trading“ die größten internationalen Anbieter, darunter auch die amerikanischen Vorreiter Covestor und Currensee. Covestor existiert bereits seit 2007, die Gründung bezeichnet Braun als „kleinen Meilenstein in der Entwicklung einer neuen Form der Geldanlage“. Auf der Seite der Signalgeber werden hier vor allem Profis angesprochen, die eine längere Erfolgsgeschichte vorweisen müssen und mit eigenem Geld handeln. Auch der Follower muss mindestens 10.000 Dollar einsetzen. Anders als bei europäischen Anbietern kann hier nicht mit CFDs (Contracts for Difference) gehandelt werden.
Diese Differenzkontrakte sind durchaus umstritten und in den USA sogar verboten. Denn dahinter stehen keine echten Wertpapiere, sondern nur Wetten auf die Entwicklung an den Aktien-, Devisen- oder Rohstoffmärkten. Anleger können damit auf steigende oder auch auf fallende Kurse setzen. Hochspekulativ wird das Angebot dadurch, dass sie dank eines Hebels nur einen Bruchteil der Summe einsetzen, mit der sie eigentlich spekulieren. Die Chancen sind dadurch hoch, aber auch das Verlustrisiko.
Bei Currensee wird dagegen nur mit Devisen gehandelt. Trader und Follower müssen echtes Geld einsetzen, Demokonten gibt es für beide Seiten nicht. Dafür stellt der Anbieter aber hohe Ansprüche an die Trader, sie werden ausführlich geprüft und handeln zunächst sechs Monate auf Probe.
Profi-Trader will auch Ayondo gewinnen. Bei dem Anbieter aus Frankfurt können die Trader im Laufe der Zeit eine Art Karriereleiter hinaufsteigen, vom Street Trader bis hin zum Institutional. Gehandelt wird hier ausschließlich mit CFDs. Ab 100 Euro kann ein Anleger einsteigen, die Trader setzen jedoch kein echtes Geld ein. Bei eToro werden dagegen nicht nur Profi-Trader umworben. Die Auflagen sind gering, doch immerhin müssen sie Echtgeldkonten nutzen – während die Follower das System auch zunächst ohne Einsatz von Geld testen können. Die Produktpalette reicht von Devisen über CFDs, ausgewählten Aktien bis hin zu Rohstoffen. Besonderer Wert wird auf die Kommunikation der Social Gurus mit den Anlegern gelegt. Tun sie es nicht, verringert sich ihr Status.
Zu den frühen Anbietern gehört auch ZuluTrade, die Plattform existiert bereits seit 2006. Hier wird besonders mit Schutzfunktionen geworben, dank denen der Anleger Risikoregeln definieren und sein Konto „automatisch schützen“ kann. Das erscheint besonders nützlich, da auch hier die Signalgeber kein eigenes Geld einsetzen müssen. Gehandelt wird nur mit Devisenpaaren.
Vom Musterdepot zum Zertifikat
Einen kleinen, aber vergleichsweise erlesenen Kreis von Tradern bietet die junge Plattform United Signals. Hier sind laut Anbieter „erfahrene Trader und erfolgreiche Handelsstrategien“ zu finden. Anders als bei den zuvor genannten Plattformen, kann der Anleger die Trades jedoch nicht nur direkt in sein Depot kopieren lassen. Er hat zusätzlich die Möglichkeit, Strategien in Form von Zertifikaten zu erwerben, die von der Landesbank Berlin herausgegeben werden. Das erste Zertifikat stammt von Finanzmarktanalyst Joachim Goldberg.
Komplett auf die Emission von Zertifikaten setzt die Plattform Wikifolio, an der auch die Verlagsgruppe Handelsblatt beteiligt ist. Nach einer Testphase kann hier jeder Hobby-Trader aus seiner Strategie ein Zertifikat erstellen lassen, mehrere hundert gibt es schon. Sie werden von Lang und Schwarz herausgegeben. Zum Anlageuniversum gehören Aktien, ETFs und Fonds.
Die Angebote sind also vielfältig und so empfiehlt auch Andreas Braun zurecht: „Besonders Einsteiger in der Welt des Tradings sollten sich Zeit lassen.“ Hilfreich sind zur Orientierung vor allem Demokonten, bei denen es für den Anleger erst mal noch nicht um echtes Geld geht – Covestor, Ayondo, ZuluTrade und eToro bieten das.
Ist Mirror-Trading nun tatsächlich eine Alternative für den Privatanleger? „Hohe Performances und steile Aufwärtskurven in den Konten vieler ‚Top’-Trader entpuppen sich als wenig dauerhaft“, schreibt Braun. Besser sehe es da nur bei den echten Profis unter den Tradern aus. Doch es gibt auch andere Vorteile: Braun nennt etwa Transparenz durch den Blick ins Depot eines Vermögensverwalters in Echtzeit. Außerdem: Selbstbestimmung, denn noch nie war das Anlageangebot zu vielfältig.
Für Jedermann sind die Angebote jedoch nicht geeignet, besonders nicht für absolute Neulinge an der Börse. Die Handelssysteme, denen man folgt, sollten sehr sorgsam gewählt werden. „Für die Follower ist es wichtig, dass sie das Handelssystem verstehen und dafür braucht es schon etwas Börsenwissen. „Wer unsicher ist und das System des Traders nicht nachvollziehen kann, wird zusätzlich verunsichert und neigt dann zu übereilten Entscheidungen, etwa wenn eine Erfolgsphase mal gestoppt wird“, sagt Müller. Deshalb seien die Plattformen am ehesten für Trader geeignet, die selbst ein Handelssystem haben und ihr Portfolio durch einen weiteren Anlagestil diversifizieren wollen.
Außerdem wichtig aus Sicht der Finanzpsychologin: Das Handelssystem muss zur eigenen Risikobereitschaft passen. „Wählt man eine Strategie, die riskanter ist, wird man wahrscheinlich viel Zeit damit verbringen, dem Trader auf die Finger zu schauen“, sagt Müller. Dann habe man jedoch nicht viel gewonnen, denn in dieser Zeit, hätte der skeptische Follower auch ein eigenes System verfolgen können.
Nutzern hilft der gegenseitige Austausch
Einen Vorteil beim Handeln über die Plattformen sieht Müller vor allem im gegenseitigen Austausch der Anleger: „Wenn man ganz für sich alleine handelt, besteht die Gefahr, dass man sich selbst Geschichten erzählt, nach dem Motto ‚morgen wird wieder alles besser’.“ Davor könne die Kommunikation mit anderen schützen.
Die Kommunikationsmöglichkeiten der Plattform sind sehr unterschiedlich. Teils können Trades direkt auf der Plattform kommentiert werden. Der unmittelbare Kontakt zum Trader ist allerdings teils nur öffentlich möglich und kann auf manchen Plattformen sogar vom Trader unterbunden werden. Und bei Ayondo benötigen Trader und Follower zur Kommunikation einen Account bei Google+, denn direkt auf der Plattform fehlt eine Kontaktfunktion.
Ob diese Art der Geldanlage ein Trend oder nur ein Nischenphänomen ist, darauf mag sich Braun nicht abschließend festlegen. Die Angebote hätten noch immer eine Reihe von Schwächen, wie beispielsweise mangelnde Information über Handelsansätze, zudem müssten die Anbieter besser über Risiken aufklären und ihre Vergütungssysteme fairer gestalten. Für die Zukunft sieht Braun auch die Chance, dass neben Zertifikaten noch andere Produktformen zum Abbilden von Strategien genutzt werden und auch die Fähigkeiten der sogenannten Schwarmintelligenz einmal stärker genutzt wird.
Aufgrund der Risiken gibt es auch Skeptiker, die komplett von den Plattformen abraten. Verbraucherschützer Niels Nauhauser etwa hat ganz grundsätzliche Bedenken: „Die wissenschaftliche Literatur ist sich weitgehend einig darin, dass Anleger nicht erwarten können, den Markt dauerhaft zu schlagen, egal wie sie dabei vorgehen. Und wenn sie es doch mal schaffen, kann man die Glückspilze nicht von den Könnern unterscheiden.“ Der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg befürchtet zudem, dass eine zu hohe Erwartungshaltung beiden meisten zwangsläufig zu Enttäuschungen führen könnte. „Das ist dann wie im Casino: Die Bank gewinnt immer.“
Finanzcoach Müller differenziert noch weiter: „Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, bei solchen Portalen mit ein bisschen Spielgeld mitzumachen“, sagt sie. Wer ernsthaft Geld verdienen wolle, sollte sich aber nicht alleine auf vermeintliche Experten verlassen. „Das System ist eine Dienstleistung und das bedeutet, dass mit Sicherheit die Anbieter etwas verdienen. Ob ich selbst profitiere, steht aber zunächst in den Sternen.“
Im nächsten Teil der Serie lesen Sie, wie Anleger von der sogenannten Schwarmintelligenz und dem Wissen der Vielen profitieren können.