Wirecard: Den turbulenten Zeiten zum trotz – Gewinnprognose überraschend erhöht – Aktie im Aufwind
Der Zahlungsabwickler Wirecard hat trotz aller Turbulenzen auch im ersten Quartal weiter kräftig zugelegt. Der Dax -Aufsteiger vom vergangenen Herbst hat seine Zahlen zum Jahresanfang an diesem Mittwoch vorgelegt.
Das ist los bei Wirecard:
Seit Ende Januar ist Wirecard in schwerem Fahrwasser – was aber weniger mit dem Tagesgeschäft zu tun hat als mit den Fragen, die sich rund um das Geschäftsgebaren der Firma stellen. Konnte Wirecard bisher immer alle Verdächtigungen abschütteln, musste der Konzern diesmal nach Vorwürfen in der „Financial Times“ zumindest einräumen, dass es „Qualitätsmängel“ in der Buchhaltung gegeben hat, und dass einige Buchungen rund um Softwarelizenzen wieder korrigiert werden mussten. Möglicherweise haben sich auch einige Mitarbeiter bei einer Tochter in Singapur strafbar gemacht. Betrug und systematische Luftbuchungen sieht das Unternehmen nach eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen aber als ausgeschlossen an.
Bei mehreren Behörden laufen noch Ermittlungen zu dem Fall. Sowohl die Münchner Staatsanwaltschaft als auch die Finanzaufsicht Bafin gehen davon aus, dass es eine gezielte illegale Attacke von Börsenspekulanten gab. Die Task Force des Unternehmens selbst soll nun unter anderem die Aufsicht der Aschheimer Zentrale über die Geschäfte rund um den Globus verbessern.
Ohnehin ist die Führung des Unternehmens weiter optimistisch. Wirecard-Chef Markus Braun wird jedenfalls nicht müde zu betonen, dass die Kursturbulenzen das Unternehmen das Management nicht vom operativen Geschäft abhalten. Im Gegenteil: Eine sehr starke Vertriebspipeline stütze die Prognose des operativen Gewinns, sagte er kürzlich Ende April. Der Konzern sei auf gutem Weg, die ambitionierten mittel- und langfristigen Wachstumsziele bis 2025 zu erfüllen.
Wirecard zählte zuletzt knapp 280.000 Kunden, 2018 wurden auf der eigenen Plattform 125 Milliarden Euro an Transaktionsvolumen abgewickelt. Umsatz und Ergebnis legten aus eigener Kraft – also ohne die durchaus üblichen Zukäufe und Wechselkurseffekte – um jeweils 27 und 34 Prozent zu.
Das sind für einen Dax-Konzern ungewöhnlich hohe Werte. Wirecard gehört am Umsatz gemessen aber auch zu den kleinsten im Index. Doch die bei technologieorientierten Anlegern beliebten rasanten Wachstumsraten hatten letztlich für den starken Anstieg beim Börsenwert gesorgt und Wirecard erst in die erste Börsenliga befördert. Zuletzt kam noch Fantasie durch den geplanten Einstieg des japanischen Konzerns Softbank hinzu – einer der wichtigsten und größten Technologie-Investoren weltweit. Wirecard will mit dem neuen Partner an der Seite auch Zugang zu dessen Beteiligungsunternehmen bekommen, um diese womöglich für sich als Kunden zu gewinnen.
Grundlage für weiteres Wachstum hat der Konzern auch so: Im zweiten Halbjahr betrug das zusätzliche Transaktionspotenzial neuer Kunden gut 32 Milliarden Euro. Rund zwei Drittel davon würden erfahrungsgemäß dann auch als Zahlung über die Plattform abgewickelt, schätzt Braun. Das allein wären bei den Gebühren, die Wirecard im Schnitt einstreicht, dann schon rund 300 Millionen Euro Umsatz oder mehr zusätzlich.
Wirecard erhöht überraschend die Gewinnprognose
Das rasante Wachstum stimmt den Dax -Neuling für das Gesamtjahr beim Gewinn zuversichtlicher. Das Management um Vorstandschef Markus Braun schraubt nach einem starken ersten Quartal die Erwartung an das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in diesem Jahr auf 760 bis 810 Millionen Euro hoch, wie das Unternehmen am Mittwoch in Aschheim bei München mitteilte.
Vorher standen 740 bis 800 Millionen Euro im Plan. Analysten rechneten zuletzt mit rund 764 Millionen Euro operativem Gewinn pro Jahr, hatten aber zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich noch keinen erhöhten Ausblick erwartet.
Im ersten Quartal kletterte der Umsatz von Wirecard im Jahresvergleich um knapp 35 Prozent auf 566,7 Millionen Euro, das operative Ergebnis sogar fast 41 Prozent auf 158 Millionen Euro. Das war jeweils etwas mehr als an der Börse erwartet. Wirecard profitiert vom ungebrochenen Trend hin zu elektronischen Zahlungen vor allem beim Onlineshopping. Das Transaktionsvolumen auf der eigenen Zahlungsplattform wuchs um gut 37 Prozent auf 36,7 Milliarden Euro – hiervon behält Wirecard einen gewissen Anteil an Gebühren ein. Unter dem Strich stieg der Nettogewinn um die Hälfte auf 106,3 Millionen Euro.
Das macht die Aktie:
Nachdem es für Wirecard eigentlich jahrelang nur nach oben ging mit dem Aktienkurs bis auf 199 Euro, stockt der Lauf des Papiers seit dem Dax-Aufstieg im vergangenen September erheblich. Nach einer Erholung zu Jahresbeginn kam dann mit der Untersuchung rund um Bilanzprobleme in Singapur der deutliche Absturz.
Binnen weniger Tage verlor die Aktie bis zum Tief bei 86 Euro knapp die Hälfte an Wert. Seitdem hat sie sich wieder etwas berappelt, liegt mit 131 Euro aber immer noch deutlich unter den erreichten Ständen vergangenes Jahr.

Nach der überraschenden Erhöhung der Prognose kann die Aktie vorbörslich stark klettern, nachdem sie bereits am Dienstag Zuwächse verzeichnen konnte. Gut eine Stunde vor Handelsstart liegt sie bei einem Plus von gut 2,8 Prozent auf einem Wert von 132,75 Euro.
(onvista/dpa-AFX)
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