Stefan Riße: Liquiditätsillusion – Wenn Assets fallen, entsteht nicht mehr Liquidität

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Kann Geld von einer Assetklasse in die andere fließen?

Da ich derzeit ja immer wieder auch hier in dieser Kolumne auf die schrumpfende Liquidität aufmerksam mache, fragte mich jüngst einer unserer Kunden, ob nicht viel Liquidität entstanden sei, weil die Anleger ja zuvor aus Aktien, Kryptos und Anleihen geflüchtet wären. Und in der Tat ist die Vorstellung sehr weit verbreitet, dass bei fallenden Kursen Anleger Aktien verkaufen und in Bargeld tauschen und so mehr Liquidität entsteht. Das ist aber eine Illusion. Ein Kursrückgang in einer Asset-Klasse genauso wie einer einzelnen Aktie ist nicht gleichbedeutend mit dem Entstehen liquider Mittel.

Ganz extrem ausgedrückt, genügen zwei Marktteilnehmer, die eine Aktie immer wieder hin und her verkaufen zu einem immer geringeren Preis. Alle anderen tausende Aktionäre haben dann weniger Vermögen, aber niemand hat deshalb mehr Liquidität. Wenn Geld aus Aktien fließt, dann passiert es durch eine Transaktion. Dabei steht dem Verkäufer aber immer auch ein Käufer gegenüber. Genauso viel, wie der Verkäufer an Liquidität bekommt, fließt beim Käufer weg. Es sei denn, der Käufer würde auf Kredit kaufen und seine kreditgebende Bank würde sich dann bei der Zentralbank refinanzieren. Dann würde neue Liquidität entstehen.

Kann Geld von einer Assetklasse in die andere fließen?

In einem System mit gleicher Geldmenge kann es allerdings passieren, dass der, dem Aktien gehören, lieber Anleihen besitzen möchte. Nehmen wir an, dieser Anleger besitzt zehn Aktien, die bei 100 Euro notieren. Ein anderer Anleger besitzt zehn Anleihen, die ebenfalls einen Kurs von 100 Euro haben und fühlt sich ganz wohl mit den Anleihen. Er hat also kein Interesse, seine zehn Anleihen in die zehn Aktien zu tauschen. Also muss der Aktienbesitzer ihm ein besseres Angebot machen, dass da lauten könnte, dass er ihm alle 10 Aktien gibt für nur acht seiner Anleihen.

Insgesamt wären Anleihen wie Aktien zusammen immer noch 2000 Euro wert, nur würden die Aktien noch einen Wert von 800, also 80 Euro pro Stück, haben und die Anleihen einen Wert von 1.200, also 120 Euro pro Stück. Der Aktienverkäufer hätte jetzt also acht Anleihen zu 120 und damit 960 Euro Vermögen. Der Anleiheverkäufer hätte alle 10 Aktien zu 80 und noch zwei Anleihen zu 120 Euro und damit ein Vermögen von 1.040 Euro. Insofern können sich die Kurse schon zugunsten eines Assets erhöhen und zu Lasten eines anderen sinken, ohne dass sich die Geldmenge durch geldpolitische Aktionen verändert. Wird dem System aber Geld zugeführt, dann hebt die Flut alle Boote. Das ist die bessere Ausgangslage und umgekehrt.

Schaffen Abflüsse aus Fonds Liquidität?

Ich arbeite bekanntermaßen für die Fondsgesellschaft ACATIS Investment. Da haben wir immer mal Zuflüsse oder eben auch mal Abflüsse aus unseren Fonds. Zum Glück sind es bei uns deutlich mehr Zu- als Abflüsse, aber wie jede Fondsgesellschaft es erlebt, ziehen auch bei uns Anleger zuweilen Geld aus ihren Fonds ab. Diese Anleger bekommen dann tatsächlich Bargeld, und wir haben ein geringeres Fondsvolumen und müssen demgemäß Vermögensgegenstände wie beispielsweise Aktien aus den Fonds verkaufen.

Aber auch hier gibt es einen Käufer, der seine freie Liquidität wiederum einsetzt. Heißt es also, dass allgemein Mittel aus Aktienfonds abfließen, dann bedeutet auch dies nicht mehr Liquidität, sondern dass Fonds weniger Aktien halten als vorher und irgendeine andere Anlegergruppe demgemäß mehr Aktien hält. Auch hier bleibt es – den Gesamtmarkt aus dem Liquiditätsblickwinkel betrachtet – ein Null-Summen-Spiel.

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