Klima-Aktivisten lösen Debatte über Sicherheit deutscher Flughäfen aus
- von Andreas Rinke und Klaus Lauer
Berlin/Frankfurt (Reuters) - Eine vorübergehende Blockade des Flughafens Frankfurt durch Klima-Aktivisten hat eine breite Debatte über mangelnde Sicherheit deutscher Flughäfen ausgelöst.
"Die Flughafenbetreiber müssen mehr zum Schutz ihrer Anlagen tun, dazu stehen wir mit den Unternehmen im engen Austausch", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag. Im Bundesinnenministerium hieß es, dass der aktuelle Schutzstandard der Flughäfen als nicht ausreichend angesehen werde. Die Widerstandsfähigkeit der Zaunanlagen sollte erhöht und mit modernen Signal- und Videoanlagen ergänzt werden. "Wir müssen alles tun, dass Fremde, dass Aktivisten, dass Terroristen überhaupt gar keinen Zugang zu unseren Flughäfen bekommen", sagte der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU). Politiker von Union und SPD forderten zudem ein härteres Vorgehen gegen sogenannte Klima-Kleber wie der Gruppe "Letzte Generation".
Nach einer Aktion am Flughafen Köln/Bonn am Mittwoch hatten Klima-Aktivisten der "Letzte Generation" am frühen Donnerstagmorgen den Betrieb am größten deutschen Airport in Frankfurt für einige Stunden lahmgelegt. Seit 07.50 Uhr (MESZ) seien aber alle vier Start- und Landebahnen wieder offen und der Betrieb laufe wieder, sagte ein Sprecher des Betreibers Fraport. Rund 250 Flüge seien gestrichen worden. Im Laufe des Tages seien weitere Einschränkungen möglich.
"Der Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft ist immens", teilte ein Lufthansa-Sprecher mit. Den Schaden schätzt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm auf einen unteren zweistelligen Millionenbetrag. "Die Verluste für die Airlines und die Flughafenbetreiber dürften immens sein", sagte sie der Funke-Mediengruppe. Hinzu kämen Kosten für Polizeieinsätze. Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, erklärte, dass mehr als 30.000 Passagiere unmittelbar betroffen gewesen seien. "Finanzielle Einbußen bei den Flughäfen und den Systempartnern im Luftverkehr waren die Folge." Der Flughafenbetreiber Fraport kündigte an, sich rechtliche Schritte gegen die Klimaaktivisten vorzubehalten - auch hohe zivilrechtliche Schadensersatzforderungen.
Sieben Aktivisten hatten sich nach Angaben der Sicherheitsbehörden durch einen zerschnittenen Maschendrahtzaun Zugang zum Flughafengelände verschafft und am frühen Morgen an verschiedenen Punkten die Start- und Landebahnen blockiert. Eine weitere Person allerdings blieb der Bundespolizei zufolge bereits am Zaun hängen. Die Gruppe "Letzte Generation" veröffentlichte das Foto eines Aktivisten, der sich offenbar festgeklebt hatte und ein Transparent mit der Aufschrift "Öl tötet" hielt. Erst tags zuvor hatten Klima-Aktivisten der Gruppe den Flugverkehr in Köln/Bonn mit ähnlichem Protest am Morgen zeitweilig zum Erliegen gebracht.
BUNDESREGIERUNG KRITISIERT PROTESTE SCHARF
Das Vorgehen der Klima-Aktivisten wurde von mehreren Regierungsmitgliedern und parteiübergreifend scharf kritisiert. "Diese Aktionen sind gefährlich, dumm und kriminell", erklärte Innenministerin Faeser auf der Plattform X. "Wer Landebahnen blockiert, riskiert nicht nur sein eigenes Leben, sondern gefährdet auch andere und schadet allen Reisenden." Ähnlich äußerte sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).
"Es ist mir unbegreiflich, dass es selbst bei der aktuellen Sicherheitslage möglich ist, innerhalb weniger Minuten in den Sicherheitsbereich großer Flughäfen einzudringen", sagte der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU) zu Reuters. "Der Schutz kritischer Infrastruktur kann doch derzeit gar nicht hoch genug bewertet werden." Er erwarte von Faeser, dass sie den Schutz zu ihrer Priorität mache, konkrete Maßnahmen ergreife und diese auch mit Haushaltsmitteln hinterlege. "Hier müssen auch die Flughafenbetreiber in die Verantwortung genommen werden", fügte er hinzu. Fraport verwies darauf, dass der Zaun am Frankfurter Flughafen eine Länge von 30 Kilometern habe, der technisch gesichert sei und bestreift werde.
HÄRTERE MASSNAHMEN GEGEN KLIMA-AKTIVISTEN
Die Aktion ist Teil von internationalen Klima-Protesten in Deutschland, den USA, Großbritannien, Österreich, den Niederlanden, der Schweiz, Kanada, Schweden, Finnland, Spanien und Norwegen. Die "Letzte Generation" hatte am Mittwoch angekündigt, ihre Proteste in den nächsten Wochen fortzusetzen. Die britische Polizei hatte Ende Juni die Festnahme von 27 Klimaaktivisten bekanntgegeben, denen vorgeworfen wird, in den Sommerferien Störungen von Flughäfen geplant zu haben. Die Verdächtigen gehören der Protestgruppe "Just Stop Oil" an.
Faeser kündigte eine härtere Bestrafung solcher Blockaden an. "Wir haben empfindliche Freiheitsstrafen vorgeschlagen", betonte die Ministerin mit Blick auf die geplante Verschärfung des Luftsicherheitsgesetzes. Der Flughafenverband ADV unterstützte die Regierungspläne. Die Strafbarkeitslücken bei der Verfolgung von Eindringlingen müssten geschlossen werden. Auch die Lufthansa forderte "harte und schnelle Strafen sowie verstärkte polizeiliche Präventionsmaßnahmen".
Dem schloss sich der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese an. "Wer unberechtigt auf Rollfelder oder Landebahnen von Flughäfen eindringt, dem soll künftig eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren drohen", sagte er der "Rheinischen Post". Bei Mitführen verbotener Gegenstände sollen es bis zu fünf Jahre sein. Bereits der Versuch, auf ein Flughafengelände einzudringen, solle künftig strafbar sein und nicht mehr nur mit einem Bußgeld geahndet werden.
(Mitarbeit: Joanna Plucinska; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)