Forderungen nach Konsequenzen aus Magdeburger Anschlag
- von Hans-Edzard Busemann
Berlin (Reuters) - Zwei Tage nach dem Anschlag von Magdeburg werden immer mehr Rufe nach Konsequenzen laut.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte im "Spiegel" ausstehende Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit rasch zu beschließen. Sobald die Ermittlungen ein klares Bild von den Hintergründen ergeben hätten, werde man daraus die notwendigen Schlüsse ziehen. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Lars Castellucci, kündigte am Montag im ZDF an, eine Sondersitzung des Gremiums zu beantragen. Es werde unter anderem um die Frage gehen, warum man Hinweisen auf die vom mutmaßlichen Attentäter Taleb A. ausgehenden Gefahren nicht nachgegangen sei.
Auch Bundesjustizminister Volker Wissing forderte, über Konsequenzen nachzudenken. "Der Täter von Magdeburg war mehrfach dadurch aufgefallen, dass er Straftaten androhte. (...) Nach dem, was bisher bekannt ist, waren seine politischen Äußerungen jedoch so wirr, dass kein sicherheitsbehördliches Schema auf ihn passte", sagte er der Funke Mediengruppe. "Ich halte es für möglich, dass wir daraus Konsequenzen für unsere Sicherheitsarchitektur ziehen müssen." Für die CDU verlangte Armin Laschet die Stärkung von Nachrichtendiensten. Nach seinen Angaben sind fast allen großen Terroranschlägen Hinweise ausländischer Geheimdienste vorausgegangen. "Wir müssen unsere Dienste stärken, damit wir selbst stärker im Anti-Terrorkampf werden", sagte Laschet zu "tablemedia". In Magdeburg beschäftigte sich am Nachmittag der Ältestenrat des Landtages mit der Frage, ob der Anschlag hätte verhindert werden können.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) trat für eine Ausweitung der Befugnisse von Sicherheitsbehörden ein. Der Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, kritisierte in der "Rheinischen Post" die fehlende Umsetzung des neuen Bundespolizeigesetzes. "Seit über vier Jahren findet die Politik keinen Nenner, um dieses Gesetz zu modernisieren." Die Sicherheitsbehörden müssten endlich die Möglichkeiten bekommen, "welche auf der Höhe der Zeit sind". Er verwies auf Online-Durchsuchungen, Überwachung von Telefongesprächen über das Internet und die Gesichtserkennung mit KI-Software.
Am Freitagabend war der aus Saudi-Arabien stammende Taleb A. mit einem Pkw in den Weihnachtsmarkt im Zentrum Magdeburgs gefahren. Fünf Menschen wurden dabei getötet, 200 Menschen wurden verletzt, etwa 40 von ihnen schwer oder sehr schwer. Nach bislang bekannt gewordenen Hinweisen soll der Verdächtigte eine islamfeindliche Gesinnung haben.
15 SCHWERVERLETZTE WERDEN IN KLINIK BEHANDELT
Die Universitätsklinik in Magdeburg teilte via Facebook mit, es würden noch 72 Verletzte versorgt, darunter 15 Schwerverletzte. "Wir danken allen Helfenden für ihren außergewöhnlichen Einsatz," erklärte der Ärztliche Direktor der Universitätsmedizin, Hans-Jochen Heinze. "Unser Fokus liegt jetzt auf der Genesung der Patientinnen und Patienten sowie der Unterstützung aller Betroffenen, die dieses traumatische Ereignis verarbeiten müssen."
Die "Welt" berichtete unter Berufung auf eine Telefonschaltkonferenz zwischen dem Bundeskriminalamt (BKA) und den Landeskriminalämtern (LKA) am Wochenende, der mutmaßliche Attentäter sei wegen einer psychischen Erkrankung behandelt worden. Demnach gehe das BKA von einem "allein handelnden Täter ohne explizit islamistisches Motiv aus". Gegen Taleb A. habe es bereits mehrere Ermittlungsverfahren in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen wegen Bedrohung, Verleumdung und Sexualstraftaten gegeben.
"Es entstand der Eindruck eines psychisch auffälligen Vielschreibers", wurde in der Telefonschaltkonferenz mitgeteilt. Das Blatt berichtete, der Tatverdächtige sei dem BKA seit längerer Zeit bekannt und im Hinblick auf sogenannte Gefährdungssachverhalte überprüft worden. Solche konnten im vergangenen Jahr jedoch nicht erkannt werden. Von dem Mann gehe keine konkrete Gefahr aus, hieß es damals in einer Gefährdungsbeurteilung.
Der MDR berichtete ohne Angaben von Quellen, die Magdeburger Polizei habe Taleb A. im vergangenen Jahr eine schriftliche Gefährderansprache übermittelt. Zuvor hatte die Polizei eingeräumt, dass eine geplante Gefährderansprache nicht durchgeführt werden konnte, da man Taleb A. nicht angetroffen habe.
(Bericht von Hans Busemann, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)