EZB-Leitzins sinkt in Zeiten des Zollgewitters weiter - "Stabilitätssignal"

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Frankfurt/Berlin (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach dem Zollschlag von US-Präsident Donald Trump den Leitzins weiter gesenkt.

Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagesatz wurde am Donnerstag um einen Viertelpunkt auf 2,25 Prozent nach unten geschraubt. Die bereits siebte Lockerung seit Mitte 2024 war an den Finanzmärkten fest eingepreist. Wie die Nachrichtenagentur Reuters von Insidern erfuhr, wurde die Entscheidung einstimmig getroffen. Offenbar hatte die Aussicht auf einen Handelskrieg und dessen mögliche Folgen Währungshüter umgestimmt, die mit einer Zinspause geliebäugelt hatten.

"Der Disinflationsprozess schreitet gut voran", erklärte der EZB-Rat. Zugleich verwies das Leitungsgremium darauf, dass die Lage von außergewöhnlich hoher Unsicherheit geprägt sei. Die EZB stütze sich auf Daten und entscheide von Sitzung zu Sitzung. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde haben mit einer Teuerungsrate von zuletzt 2,2 Prozent ihr Ziel von zwei Prozent dicht vor Augen. Mit abnehmender Inflationsgefahr besteht zugleich Spielraum, der mauen Wirtschaft mit niedrigeren Zinsen zu helfen.

Doch bewegt sich die EZB auf unsicherem Terrain, da die Folgen der von Trump in Gang gesetzten Zollspirale auf die Preise und die gesamte Konjunktur noch schwer abzuschätzen sind. Die erhöhte Unsicherheit dürfte das Vertrauen der privaten Haushalte und Unternehmen mindern, erklärte die EZB. Die negative und volatile Marktreaktion auf die Handelsspannungen könne sich restriktiv auf die Finanzierungsbedingungen auswirken. Diese Faktoren könnten die Wirtschaftsaussichten im Euroraum zusätzlich belasten.

Jörg Asmussen, der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), nannte die Leitzinssenkung angemessen. "In einem von hoher Unsicherheit geprägten Umfeld sendet die EZB ein wichtiges Stabilitätssignal an die Märkte", sagte der frühere Notenbank-Direktor.

Trump hatte den 2. April zum "Tag der Befreiung" erklärt und zahlreichen Handelspartnern pauschale Zölle von 20 Prozent aufgedrückt. Diese wurden kurz danach zwar für 90 Tage auf Eis gelegt. Nicht jedoch für China: Die Importzölle auf Waren aus der Volksrepublik wurden sogar auf 145 Prozent hochgeschraubt, worauf China mit Gegenzöllen von 125 Prozent auf US-Waren reagierte. Die drohenden Verwerfungen im internationalen Handel haben an den Finanzmärkten große Sorge ausgelöst. Die Welthandelsorganisation (WTO) befürchtet, dass der globale Handel erstmals seit der Corona-Krise im Jahr 2020 schrumpfen könnte. Zugleich dürften Handelsströme auch nach Europa umgelenkt werden, wenn China seine Waren wegen der hohen US-Zollhürden nicht mehr auf dem amerikanischen Markt loswird.

"KEIN BEFREIUNGSSCHLAG"

Die Zinssenkung der EZB sei "kein Befreiungsschlag für die schwächelnde Konjunktur im Euroraum", sagte Lena Dräger, Forschungsdirektorin am IfW Kiel. Die Zentralbank folge vielmehr ihrer bisherigen Linie, nach dem deutlichen Inflationsrückgang seit dem Höchststand Mitte 2023 allmählich auf ein normalisiertes Zinsniveau zurückzukehren. Durch die erratische Zollpolitik der US-Regierung hätten sich jedoch die wirtschaftlichen Risiken für die Euro-Zone stark erhöht, weshalb ein größerer Zinsrückgang um einen halben Punkt aus ihrer Sicht angemessen gewesen wäre.

Anders als die EZB sieht die US-Notenbank Fed trotz Anzeichen für eine Verlangsamung der amerikanischen Wirtschaft keinen dringenden Handlungsbedarf. Man könne zunächst die Zinsen konstant halten, um auf größere Klarheit zu warten, sagte Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch mit Blick auf die noch unklaren Auswirkungen der von Trump verhängten Zölle. Die Fed hatte den Leitzins zuletzt in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen und entscheidet am 7. Mai wieder über den geldpolitischen Kurs.

Trump setzte die unabhängige Notenbank bereits verbal unter Druck und kritisierte Powell als notorischen Zuspätkommer in Sachen Zinssenkungen. Auf seiner Onlineplattform Truth Social forderte er, Powell hätte die Zinsen, wie die EZB, schon längst senken sollen: "Aber er sollte sie jetzt unbedingt senken."

(Bericht von Balazs Koranyi, Francesco Canepa;, Reinhard Becker, Rene Wagner, Howard Schneider, Devika Nair, redigiert von Kerstin Dörr.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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