Kolumne

Keine Sparzinsen: Die Banken melken die Bundesbank

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Warum jetzt ausgerechnet die Sparer ranmüssen, um die Bundesbank vor Milliardenverlusten zu bewahren

Quelle: Inside Creative House/Shutterstock.com

Die Bundesbank und die Europäische Zentralbank haben im „Hotel California“ eingecheckt. Und wie in dem berühmten Song der Eagles nimmt nun auch bei den beiden Notenbanken das Drama seinen Lauf: Weil die Zentralbanken durch ihre gigantischen Anleihekaufprogramme die Märkte mit Zentralbankgeld geflutet haben, halten die Geschäftsbanken jetzt riesige Geldbestände, die sie zum Einlagezins bei ihrer jeweiligen Notenbank parken. Und der liegt jetzt schon bei 2,5 Prozent und wird in den nächsten Monaten noch deutlich weiter ansteigen.

Dazu kommen die Anleihen im gewaltigen Wert von fast 4,8 Billionen Euro, die die Notenbanken in Euroland auf der Habenseite ihrer Bilanzen als angehäuft haben, die keine -oder nur minimale- Renditen abwerfen und deren Wert deutlich gefallen ist. Die Differenz zwischen den Zinseinnahmen und den Zinsausgaben für die Einlagen der Banken sorgt für Verluste, deren Ausmaß bislang lediglich einige Experten auf dem Schirm haben.

2022 waren diese Verluste noch moderat: Die Bundesbank musste 1 Milliarde Euro aus ihren Rücklagen entnehmen, um einen Fehlbetrag zu vermeiden, die EZB 1,6 Milliarden. Doch schon im laufenden Jahr dürften die Verluste erheblich ansteigen, und spätestens im nächsten Jahr könnten die komplette Risikovorsorge der Bundesbank von 25 Milliarden Euro und 5 Mrd. Eigenkapital aufgebraucht sein. Bei der EZB könnte dieser Punkt sogar noch schneller erreicht werden.

Dann wird sich die Frage stellen, ob die Notenbanken von ihren jeweiligen Staaten rekapitalisiert werden müssen. Dies wäre dann eine andere Form einer jährlichen Steuererhöhung von alsbald 1 % des deutschen Bruttoinlandsproduktes für die Folgekosten der gerade in Deutschland so unpopulären Anleihekäufe. Und das Eingeständnis einer bitteren Wahrheit: Etwas zugespitzt ausgedrückt, haben sich die Zentralbanken im Zuge der unkonventionellen Geldpolitik der vergangenen Jahre in Makro-Hedgefonds verwandelt, die mit sehr wenig Eigenkapital gewaltige Risiken eingegangen sind, und sind jetzt in ihren Positionen gefangen.

Bereits in den 1970er Jahren wies die Bundesbank vorübergehend Verlustvorträge, also negatives Eigenkapital auf, blieb aber handlungsfähig. Gewinne oder Verluste einer Zentralbank sind eben zunächst einmal Nebeneffekte bei der Erfüllung ihrer vorrangigen Aufgabe, die Preise stabil zu halten.

Dennoch ist der jetzige Zwangsurlaub der Zentralbanken im Hotel California eher ungeplant. 2017 versprach uns Janet Yellen, damals noch Präsidentin der Federal Reserve noch, dass Quantitative Tightening (QT) dem Trocknen von Farbe auf einem Gemälde ähneln werde. Die jetzige Erfahrung zeigt aber, dass Quantitative Tightening nicht einfach Quantitative Easing (QE) in umgekehrter Form ist. Ankündigungen von QT sind weniger wirksam, wenn der Leitzins deutlich über Null liegt und eine fortwährende Erhöhung des Leitzinssatzes notwendig ist, um eine hohe Inflationsrate zu bekämpfen.

Bei der aktuellen Schwemme von überschüssigem Zentralbankgeld besteht die einzige Möglichkeit, die Geldmarktzinssätze nach oben zu hieven deswegen darin, die Reserven der Banken zu vergüten. Ohne eine Vergütung der Bankreserven bleiben die Geldmarktzinssätze bei 0% hängen. Wenn die EZB den Einlagensatz erhöht, um die Inflation einzudämmen, sinkt jedoch ihr Nettozinsergebnis, da ein großer Teil ihrer Verbindlichkeiten an die nun steigenden Einlagezinsen gebunden ist. Man kann das Hotel California zwar verlassen, aber eben niemals hinter sich lassen.

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Wie könnten die Notenbanken Horror-Verluste jetzt noch vermeiden? 

Der simpelste (und radikalste) Weg diesen Großschaden zu vermeiden wäre es, wenn die Notenbanken schlicht und einfach ihre riesigen Wertpapierbestände zügig über den Markt abverkaufen würden. So würden die Einlagen der bei der Zentralbank gleichzeitig sinken. Nur können die Notenbanker das natürlich nicht machen, weil das ein brutaler Schlag für die weltweiten Bondmärkte wäre.

Alternativ könnten sie zum Beispiel auch entscheiden, die Mindestreserven auf die Geschäftsbankeneinlagen, die in Euroland zur Zeit praktisch ausgesetzt sind, deutlich zu erhöhen und nicht mehr zu verzinsen. Überschüssiges Zentralbankgeld würde ein Stück gebunden und die Passivseite der Geschäftsbanken, d.h. deren Finanzierung verteuert. Alles in der Hoffnung, dass dieses die Banken bewegt, ihre Bilanz zu verkürzen. Wahrscheinlicher ist aber, dass diese Maßnahme einfach nur Finanzplätze außerhalb von Euroland subventioniert, da die Banken dort über ihre Töchter die erhöhte Mindestreserve umgehen.

Es ist also tatsächlich wie im Hotel California: „You can check out anytime you like – but you can never leave!“ Auf viele Jahre hinaus werden die Notenbanken dem selbst kreierten Dilemma nicht mehr entkommen können, und in jedem Jahr und mit jeder weiteren Leitzinserhöhung werden zusätzliche Verluste signifikanter Größenordnung entstehen.

Die Sparzinsen müssen hoch! 

Einen Ausweg könnten ausgerechnet die Sparer ermöglichen, schließlich lassen die Banken ihr Geld nur deshalb bei der Zentralbank liegen, weil die Sparer es bei den Banken belassen, obwohl sie von diesen nur lausige Tages- und Festgeldzinsen von meist unter 1 Prozent pro Jahr erhalten. Diese kaum verzinsten Spareinlagen können die Banken dann risikolos zu weit mehr als dem doppelten Zinssatz bei der Zentralbank parken.

Aber dieses Spiel würde nicht mehr funktionieren, wenn die Sparer ihre Einlagen abzögen – und ihr Geld zum Beispiel dorthin trügen, wo sie Zinsen bekämen, die nah am Leitzins liegen. In einer idealen Welt gäbe es inzwischen bereits einen lebhaften Wettbewerb zwischen den Banken um die Spareinlagen der Bürger. Nur ist das leider in gewissem Maße derzeit höchstens in dem einen oder anderen Land Südeuropas der Fall, aber nicht in Deutschland. Hierzulande ist es mühsam, attraktive Angebote für Termineinlagen zu finden – und wenn es sie gibt, dann gelten die attraktiven Zinssätze praktisch immer nur zeitlich begrenzt für wenige Monate.

Daher hätte ich einen unkonventionellen Lösungsvorschlag für das Hotel-California-Dilemma: Was wäre denn, wenn die Staaten Banken, die der öffentlichen Hand gehören, dazu brächten, Sparzinsen nahe dem Leitzins anzubieten? Dieses Angebot würden sich viele Sparer nicht entgehen lassen und ihr Geld dorthin umschichten.

Die noch bessere Lösung wäre natürlich, wenn die Anleger Bundesanleihen wieder als lohnendes Investment betrachten und ihre Gelder dort investieren würden. Dann würde auf diesem Weg die hohe Zentralbankliquidität der Banken an den Kapitalmarkt abfließen.

Nach einer aktuellen Umfrage der EZB zu Inflationserwartungen gehen die Verbraucher in Deutschland immerhin wieder davon aus, dass in 3 Jahren sich das Preiswachstum auf die von der EZB angestrebten 2 % verlangsamen wird. Das Chance-Risiko-Verhältnis am Rentenmarkt verbessert sich also langsam, Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 5 Jahren rentieren aktuell z.B. bei rund 2,85%.

Aber darauf zu zählen, dass die deutschen Sparer den Kapitalmarkt für sich entdecken, wäre wahrscheinlich die nächste trügerische Illusion – nach der Träumerei, dass die Billionen schweren Anleihekäufe der Notenbanken keine nennenswerten Folgekosten verursachen würden.

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