"Lehman, Corona - und letzte Woche"
Anleihestratege Michael Muck vom Vermögensverwalter Meag spricht über die derzeitigen Turbulenzen am Anleihemarkt, was sie langfristig bedeuten und wie er sich darauf einstellt.

Herr Muck, vergangene Woche war nicht nur am Aktien-, sondern auch am Anleihemarkt dramatisch. Wie oft haben Sie so etwas schon erlebt?
Nach der Lehman-Pleite 2008 und dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 ist es jetzt das dritte Mal. Wir hatten Bewegungen, die in den letzten hundert Jahren vielleicht viermal vorkamen. Das war schon sehr extrem.
Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen sind in kürzester Zeit um 50 Basispunkte geklettert – und haben US-Präsident Donald Trump letztlich wohl gezwungen, im Zollkonflikt einzulenken. Was unterscheidet diese Krise von den anderen, die Sie genannt haben?
Der auffälligste Unterschied: Vermögensmanager gehen in Krisen normalerweise in Dollar und US-Treasuries, also amerikanische Staatsanleihen. Das war diesmal anders.
Nicht nur sind die Kurse von US-Staatsanleihen stark gefallen – auch der Dollar hat abgewertet. Der Status des US-Markts als sicherer Hafen funktionierte nicht.
Trump ist inzwischen deutlich zurückgerudert in Sachen Zölle. Ist damit alles wieder gut?
Es bestehen immer noch erhebliche Zölle und bezüglich der Ausnahmen für Elektronikartikel hieß es zuletzt, dass auch da noch Zölle kommen werden. Das bedeutet: Wenn die US-Notenbank jetzt die Zinsen senkt, werden die langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt dennoch hoch bleiben.
Die Inflation liegt über dem Zielwert und Zölle werden die Inflation tendenziell erhöhen. In dieser Situation sind langfristige US-Anleihen als Portfolio-Absicherung ungeeignet.
Könnte es nicht im Gegenteil sogar sein, dass die Renditen weiter steigen? Es kursieren ja Pläne der US-Regierung, ausländische Staaten, die US-Anleihen halten, in zinslose Bonds zu zwingen – im Gegenzug für militärischen Schutz. Das dürfte kaum Vertrauen schaffen.
Ich halte für äußerst unwahrscheinlich, dass die USA das tatsächlich machen. Die US-Administration ist bei Zöllen bereits zurückgerudert. Finanzminister Scott Bessent weiß sehr gut, wie Märkte funktionieren. Und dieser Plan wäre dramatisch schlecht.
Außerdem beruht er auf der Annahme, dass andere Länder den militärischen Schutz der USA brauchen und wollen. Und in Europa sehen wir ja gerade, dass Partner sich von den USA unabhängig machen. Zu denken gibt mir eher der Dollar.
Wieso?
Das Gegenstück zum Handelsbilanzdefizit der USA ist ein Kapitalüberschuss, der in die US-Kapitalmärkte fließt…
Die USA kaufen also im Prinzip Güter, für die sie sich im Ausland verschulden.
Ja. Und wenn nun der Status des Dollar als Welt-Reservewährung infrage steht, dann wandert das Geld in andere Märkte; den Euro, den Goldmarkt, den japanischen Yen. Das schwächt den Dollar, was die US-Administration auch will.
Aber zum einen verteuert dies die Finanzierung des Staates. Und zum anderen ist es in den USA überparteilicher Konsens, die wirtschaftliche Vormachtstellung in der Welt zu behalten und China zurückzudrängen. Der Dollar soll also Welt-Reservewährung bleiben, aber dennoch signifikant abwerten. Das geht kaum zusammen.
Ein schwacher Dollar befeuert zusätzlich die Inflation in den USA. Wie kann die US-Notenbank Fed darauf reagieren?
Es gibt keinen logischen Mechanismus, um dieses Dilemma zu lösen. Lockere Geldpolitik, also niedrigere Zinsen, würde den Dollar nur weiter schwächen. Ebenso wäre quantitative Lockerung, also der Kauf von Dollar-Anleihen, kontraproduktiv. Und wenn die Fed die Zinsen in der jetzigen Situation erhöhen würde, führt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Rezession.

Zur Person: Michael Muck ist beim Münchner Vermögensverwalter Meag, einer Tochter des Rückversicherers Münchener Rück, verantwortlich für die Währungs- und Zinsstrategie. Muck hat mathematische Finanzökonomie studiert und seine Laufbahn in der volkswirtschaftlichen Forschung-Abteilung der Meag begonnen.
Schon jetzt verschlechtern sich die weichen Daten, also die Stimmung von Unternehmern und Verbrauchern. Zinserhöhungen sind keine Lösung – auch weil der Markt aktuell drei Zinssenkungen in diesem Jahr einpreist.
Stichwort Zinssenkung: Donnerstag ist Sitzung der Europäischen Zentralbank. Erwartet wird eine Leitzins-Senkung um 25 Basispunkte. Halten Sie angesichts der negativen Auswirkungen der US-Zölle auf die europäische Wirtschaft auch eine stärkere Senkung für denkbar?
Nein, das ist sehr unwahrscheinlich. Ich rechne mit einer Senkung um 25 Basispunkte.
Wie gehen Sie mit den derzeitigen Unsicherheiten in den Portfolios um?
Mit der Wahl von Donald Trump im November war bereits klar, dass wir vorsichtiger im Umgang mit Risiken sein müssen. Für uns hat sich insofern nur wenig geändert. Bedeutet: US-Dollar und US-Treasuries gewichten wir tendenziell unter.
Die Alternativen zum Dollar sind der Euro und der japanische Yen. Interessant finden wir auch besicherte Anleihen, also Pfandbriefe. Deutsche Bundesanleihen haben zwar eine kleine Renaissance erlebt. Doch das Fiskalpaket der künftigen Regierung könnte dafür sorgen, dass die Rendite bis zu 50 Basispunkte hoch geht – die Kurse also fallen.
Wir bewegen uns deswegen auf der Zinskurve eher vorne, also bei kurzen Laufzeiten. Die profitieren, wenn die Zentralbanken die Zinsen senken. Das dürfte bei langfristigen Anleihen weniger der Fall sein, weil die langfristigen Inflationserwartungen, die für sie entscheidend sind, hoch bleiben sollten.