EZB lässt Zinsen unverändert und hält Optionen für September offen

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- von Frank Siebelt und Reinhard Becker und Klaus Lauer

Frankfurt (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) rüttelt vor der Sommerpause nicht an den Zinsen und hält sich für ihre nächste Sitzung im September alle Türen offen.

Die Währungshüter seien entschlossen, datenabhängig vorzugehen, von Sitzung zu Sitzung zu entscheiden und keinem vorab festgelegten Pfad zu folgen, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag nach dem Zinsbeschluss in Frankfurt. "Also ist die Frage nach dem September und dem, was wir im September machen, weit offen", sagte sie. Bis dahin werden die Euro-Wächter neue Daten zum Wirtschaftswachstum und zur Lohn- und Preisentwicklung im Euroraum vorliegen haben. Auch neue Inflations- und Konjunkturprognosen der Notenbank-Volkswirte werden in die Beratungen einfließen.

Die EZB beließ auf ihrer Ratssitzung in Frankfurt wie von Volkswirten erwartet den Leitzins bei 4,25 Prozent. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, bleibt weiter bei 3,75 Prozent. Die Entscheidung im EZB-Rat fiel laut Lagarde einstimmig.

Die Notenbank hatte im Juni die Zinswende vollzogen und erstmals seit 2019 die Zinsschraube gelockert. Die Juli-Entscheidung ließ Anleger weitgehend unbeeindruckt. Der Dax und der EuroStoxx50 notierten nahezu unverändert. Der Euro blieb knapp im Minus bei 1,09 Dollar.

Experten äußerten sich nach dem Zinsbeschluss zufrieden. "Es ist richtig, die nächste Zinssenkung zu vertagen", sagte Florian Heider, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE in Frankfurt. "Die Inflation ist noch zu hoch." Aus Sicht von Ulrich Kater, Chefökonom der Dekabank, hat es die EZB nicht eilig mit weiteren Lockerungen. "Zurzeit sieht es gut aus für eine nächste Zinssenkung im September, denn auch die bislang hartnäckig hohe Dienstleistungsinflation im Euroraum lässt auf eine Beruhigung in den nächsten Monaten hoffen." Allerdings habe es zuletzt genügend Überraschungen bei den Preisen gegeben.

Im Juni seien die meisten Messgrößen der Inflation unverändert geblieben oder seien leicht zurückgegangen, sagte Lagarde. "Zugleich ist der binnenwirtschaftliche Preisdruck weiterhin hoch, der Preisauftrieb bei den Dienstleistungen ist erhöht und die Gesamtinflation dürfte bis weit ins nächste Jahr über unserem Zielwert bleiben", sagte sie. Im zweiten Halbjahr 2025 werde die Teuerung dann wohl auf den Zielwert sinken.

Die EZB strebt mittelfristig 2,0 Prozent Inflation als Optimalwert für den Währungsraum an. "Wir werden die Leitzinsen so lange wie erforderlich ausreichend restriktiv halten, um dieses Ziel zu erreichen", sagte Lagarde.

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Die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft ist im Juni auf 2,5 Prozent gesunken und liegt damit nicht mehr weit entfernt von der EZB-Zielmarke. Die Teuerung im Dienstleistungssektor erweist sich allerdings als hartnäckig. Im Juni lag sie wie schon im Mai bei 4,1 Prozent. EZB-Präsidentin Lagarde hatte zu Monatsbeginn gesagt, es werde einige Zeit dauern, bis die EZB genug Daten gesammelt habe, um sicher zu sein, dass die Gefahr einer zu hohen Inflation gebannt sei.

Zudem war das Lohnwachstum, einer der wichtigsten Inflationstreiber im Euroraum, zuletzt immer noch kräftig. Noch im ersten Quartal waren die Tariflöhne in der Eurozone um 4,7 Prozent gestiegen. Lagarde sagte dazu nach dem Zinsbeschluss: "Die jüngsten Umfrageindikatoren deuten darauf hin, dass sich das Lohnwachstum im Laufe des nächsten Jahres abschwächen wird."

Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters aus der vorigen Woche rechnen Volkswirte damit, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr noch zwei Mal senken wird. Die Ökonomen erwarten auf den Zinssitzungen im September und im Dezember Schritte nach unten um jeweils einen Viertelprozentpunkt. Damit würde der Einlagensatz am Jahresende bei 3,25 Prozent liegen.

(Mitarbeit Zuzanna Szymanska; Redigiert von Kirsti Knolle; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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