Kommentar zum Angriff auf die US-Notenbank

Wer mit dem Schlimmsten rechnet, ist bei Trump bisher gut gefahren

onvista · Uhr
Redaktionsleiter

Donald Trump denkt öffentlich darüber nach, den Notenbank-Chef Jerome Powell zu entlassen. Das würde das Chaos an den Märkten wahrscheinlich weiter verstärken. Ob sich der US-Präsident dadurch zügeln lässt, ist aber offen.

Quelle: Phil Mistry/Shutterstock.com

Es gibt wahrscheinlich 1.000 Arten, einen Börsen-Crash herbeizuführen. Der US-Präsident scheint sie alle zu kennen. Seine jüngsten Angriffe auf die Unabhängigkeit der US-Notenbank jedenfalls lassen kaum einen anderen Schluss zu. Deren Chef, Jerome Powell, schimpfte Trump gestern einen "großen Verlierer" und wiederholte seine Forderung, die US-Notenbank solle die Zinsen jetzt senken. Trump schrieb "jetzt" natürlich in Versalien: "JETZT".

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Seine jüngsten Ausfälle reihen sich nahtlos ein in eine Kaskade von Maßnahmen, die das Vertrauen in den US-Dollar und den amerikanischen Kapitalmarkt insgesamt untergraben  und die Märkte in heftige Turbulenzen gestürzt haben. 

Problem eins: Zölle

Da wären zum einen die Zölle. Mit seiner Ankündigung absurd hoher Zölle auf Produkte aus nahezu allen Staaten der Erde am 2. April (von Trump "Liberation Day" getauft) hat der US-Präsident die Aktienmärkte zum Absturz gebracht.

Schlimmer noch als die Zölle an und für sich dürfte dabei die Wankelmütigkeit des Präsidenten sein: Denn schon kurz nach ihrer Verkündung folgte eine Flut von Ausnahmen, Schonfristen, oder auch (im Falle Chinas) einfach eine weitere Erhöhung der Zölle. Verlässlichkeit? Egal. 

Welches Unternehmen aber soll längerfristige Investitionsentscheidungen treffen, wenn sich die politischen Bedingungen täglich ändern? Und welche Arbeitnehmerinnen und Konsumenten sollen angesichts dessen positiv in die Zukunft schauen? Deren Stimmung hat Trump mit seiner Politik jedenfalls schon mal in Rekordzeit nach unten geprügelt. Das im April von der Uni Michigan gemessene Verbrauchervertrauen liegt auf dem tiefsten Stand seit 2022.

Problem zwei: Rechtsstaatlichkeit

Dabei sind die Zölle bei Weitem nicht das einzige Problem, das von Trump für den Kapitalmarkt ausgeht. Etwas unter dem Radar der Finanzmärkte flog vielleicht eine Nachricht von vorletzter Woche. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat am 10. April einstimmig entschieden, dass die US-Regierung die Rückkehr von Kilmar Abrego Garcia in die USA ermöglichen ("facilitate") müsse.

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Er war im Rahmen von Trumps Deportations-Poltik am 15. März aus den USA in ein Hochsicherheitsgefängnis-Gefängnis in El Salvador gebracht worden - ohne Möglichkeit, sich zu verteidigen. Der Supreme Court schreibt dazu: "Die USA erkennen an, dass die Abschiebung (von Abrego Garcia) illegal war." Dennoch lässt die Trump-Regierung keinen Zweifel daran, dass der Mann nicht in die USA zurückkehren wird. 

Eine weitere Entscheidung des Supreme Courts, die massenhafte Deportationen ohne Gerichtsprozess stoppt, kommentierte Trump auf seiner Kurznachrichten-Plattform "Truth Social" so: "Wir können nicht jedem einen Prozess gewähren." 

Was das alles mit dem Kapitalmarkt zu tun hat? Nun, die Kontrolle von Macht und die Gewaltenteilung sind auch essenziell für das Funktionieren von Kapitalmärkten. Wenn die Trump-Regierung sich über Beschlüsse des Supreme Courts hinwegsetzt, ist neben der Planungs- auch die Rechtssicherheit für Bürger, Unternehmen und nicht zuletzt Investoren in den USA in Gefahr. Dass diese Aussicht den ramponierten US-Aktien und -Anleihen auf die Sprünge hilft? Ich habe große Zweifel.

Trumps aktuellen Test des US-Rechtsstaats sollten Investoren deshalb genau im Auge behalten.

Problem drei: Notenbank

Bei Trumps Auseinandersetzung mit der US-Notenbank zeigt sich ein ähnliches Muster wie bei seinem Umgang mit dem Supreme Court. Der US-Präsident kann es offenbar nicht ertragen, dass es Institutionen wie den Obersten Gerichtshof oder die Federal Reserve gibt, die politisch unabhängige Entscheidungen treffen. Die aber sind für das Vertrauen von Investoren essenziell. 

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Es würde am Finanzmarkt vermutlich schwerste Verwerfungen nach sich ziehen, wenn Trump Fed-Chef Powell tatsächlich zu entlassen versucht. Wahrscheinlich auch deshalb hat er es (noch) nicht getan. Aber ob das so bleibt? Ich wage keine Prognose. Sicher ist nur: Im Tagesrhythmus öffentlich darüber nachzudenken, wird Investoren - gerade aus dem Ausland - weiter abstoßen. 

Die schauen sicher auch genau auf Trumps Pläne für den Anleihemarkt. Die Trump-Regierung scheint auch hier für unkonventionelle Maßnahmen offen zu sein: Der so genannte "Mar-a-Largo-Akkord" sieht vor, ausländische Halter von US-Anleihen zwangsweise in unverzinste Bonds umzuschichten. So sollen sie für den Zugang zum Dollar und das Sicherheitsversprechen der USA bezahlen. Es käme einer (teilweisen) Enteignung gleich.

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Nur: Was würde das für die Attraktivität des Dollars und der US-Anleihen bedeuten? Wer soll sie noch kaufen? Und wie soll sich die USA dann refinanzieren? Als ich vor Kurzem mit dem Anleihe-Spezialisten Michael Muck vom Vermögensverwalter Meag sprach, tat er die Pläne als "äußerst unwahrscheinlich" ab. Sie seien dramatisch schlecht für die Märkte. 

Ok, da gehe ich mit. Nur: Viel von dem, was Trump derzeit tut und schon getan hat, ist ebenfalls "dramatisch schlecht für die Märkte". Die Zuversicht, dass der US-Präsident es deshalb nicht tut, teile ich angesichts der jüngsten Erfahrungen jedenfalls eher nicht. Lieber rechne ich mit dem Schlimmsten. In der Amtszeit von Trump 2.0 bin ich damit bisher gut gefahren. 

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